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Der 13. August 1944 in Anogia

1944 hat die Wehrmacht das Dorf Anogia auf Kreta völlig zerstört. Sehr viele der Bewohner hat man getötet, 117 Menschen starben. Das Wunder: Anogia wurde wieder aufgebaut. Heute ist es wunderschön.

Die Welttourismusorganisation hat im letzten Jahr das Dorf Anogia auf Kreta zum fünftbesten Dorf für Touristen erklärt. Das dokumentiert, wie sehr das Leben über Tod und Schrecken siegen kann.

Ich greife Anigia im Rahmen des Jahresthemas 2025 auf, in dem es um alte Fotos aus Griechenland geht. Das Foto und seine traurige Geschichte bringe ich mit Absicht aber erst am Ende dieses Beitrags. Lest zunächst über das Anogia von heute.

Anogia ist wunderschön

Du findest Anogia ungefähr in der Mitte der Insel Kreta. Es liegt im Norden des Psiloritis-Massivs, das wir auch unter der Bezeichnung Ida-Gebirge kennen. Hier leben nach der Volkszählung 2021 heute 2.240 Menschen. Den Ort erreichst Du am Besten mit dem Auto.

Wenn Du von Nordwesten aus in das Dorf hinein fährst, fällt es nicht weiter auf. Du siehst zunächst ein paar moderne Gebäude, die nicht besonders aussehen. In der Tat handelt es sich um eine vollständig nach dem 2. Weltkrieg neu erbaute Stadt. Das alte Dorf haben die deutschen Besatzern vollständig zerstört.

Mein Tipp: Lass das Auto stehen und schlendere zu Fuß durch die Straßen. Du gehst über gepflasterte Gassen, siehst schöne Häuser (die gibt es hier!) und natürlich hat der Port auch eine Platia. Hier gibt es kleine Tavernen, in denen Du eine Pause machen kannst.

Kirche Agios Ioannis (Heiliger Johannes): Diese traditionelle Kirche beeindruckt mit ihren kunstvollen Fresken und dem authentischen kretischen Baustil. Sie gilt als eines der kulturellen Highlights im Dorf und spiegelt die religiöse sowie historische Identität Anogias wider.

Haus/Museum von Nikos Xylouris: Das ehemalige Wohnhaus des legendären kretischen Musikers ist heute als Museum geöffnet. Es bietet nicht nur einen Einblick in das Leben und die Musik eines der bekanntesten Vertreter der kretischen Folklore, sondern auch in die regionalen Traditionen und die Geschichte des Dorfes.

Malerisches Dorfzentrum und Architektur: Ein Spaziergang durch Anogia ist wie eine Zeitreise: Enge, gepflasterte Gassen, weiße Steinhäuser und ein charmantes Platia (Dorfplatz) laden dazu ein, das traditionelle Leben Kretas zu erleben. Die Atmosphäre, die hier spürbar ist, macht das ganze Dorf zu einer Art „lebendiger Sehenswürdigkeit“.

Traditionelle Handwerkskunst und kulturelle Erlebnisse: Anogia ist berühmt für seine Web- und Stickkunst. Zahlreiche kleine Läden und Werkstätten bieten authentische kretische Textilien und handgefertigte Produkte an. Außerdem finden regelmäßig traditionelle Musik- und Tanzveranstaltungen statt, die Besuchern einen lebendigen Einblick in die Kultur der Region gewähren.

Holzmuseum (Wooden Museum): Falls vorhanden, lohnt sich auch der Blick in das Holzmuseum, das die traditionelle kretische Holzverarbeitung und lokales Handwerk dokumentiert und ausstellt.

Das Verbrechen in Anogia am 13. August 1944

Dass Anogia so schön ist, ist keine Selbstverständlichkeit. Die Wehrmacht hat es am 13. August 1944 zerstört.

Anogia nach der Zerstörung am 13. August 1944
Anogia nach der Zerstörung am 13. August 1944

Vorangegangen war die Entführung des deutschen Generalmajors Heinrich Kreipe. Die Aktion wurde von Patrick Leigh Fermor organisiert und durchgeführt. Die Deutschen haben die Briten nicht fassen können und sich an Griechen gerächt.

Sie haben angenommen, dass diese die Briten bei ihrer Aktion unterstützt haben. Sie zerstören Anogia vollständig und töteten alle Männer im Umkreis von einem Kilometer. Die Deutschen haben 117 Menschen ermordet.

Das war ein Schlag, von dem mancher Ort sich nicht mehr erholt hätte. Anogia hat den Zerstörern gezeigt, dass sie mit ihren Verbrechen keinen Erfolg hatten.

Die Menschen haben den Ort nach dem Krieg wieder aufgebaut. Ihnen ist zu verdanken, dass dieses Dorf heute wieder so schön ist.

Der für dieses und andere Verbrechen verantwortliche deutsche Kommandant hieß Friedrich-Wilhelm Müller. Er gehört zu jenen, das Land der Opfer zur Rechenschaft zog und die man bestraft hat. Ende April 1945 geriet er in Schleswig-Holstein in britische Gefangenschaft. Die Engländer lieferten ihn nach Griechenland aus. Dort hat man ihm für seine Verbrechen auf Kreta der Prozess gemacht. Das griechische Gericht verhängte die Todesstrafe. Friedrich-Wilhelm Müller wurde am 20. Mai 1947 in Athen hingerichtet.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

Ein Gedanke zu „Der 13. August 1944 in Anogia

  • Moin, im November 2016 habe ich bei der Ausstellung „Zeit des Schweigens – Kriegsverbrechen der Wehrmacht auf Kreta“ in Berlin, die sehr beeindruckenden schwarz-weiß Doku Andartis – Monument für den des Frieden über das Monument in Anógia, der Künstlerin Karina Raeck gesehen.
    Der SFB-Dokumentarfilm Andartis – Monument für den Frieden, ist von Klaus Salge und Sakis Maniatis.

    Der Film hat mich wahnsinnig beeindruckt, die ärmlichen Häuser, die karge und raue Landschaft, die Mitata, die alten Frauen, der Stolz in den Gesichtern der Alten und die klaren Gedanken der Menschen von Anógia, und dazu die Musik von Psarantonis.

    Über das Dorf Anógia mit seinen 500-600 Jahren alten Sitten und patriarchalischen Strukturen erfährt man im Film einiges.

    Das Dorf Anógia ist in ganz Kreta für seinen Kampf für die Freiheit – gegen die Osmanische und deutsche Besetzung bekannt.

    Zum 25-jährigen Gedenken hat Karin Raeck gemeinsam mit dem Verlag Dr. Thomas Balisier das lange vergriffene Buch „Andartis – Monument für den Frieden Krieg – Widerstand – Versöhnung“ neu auflegen lassen.

    Anógia wurde im 13. Jahrhundert von Bewohnern des benachbarten Dorfes Axós gegründet, die sich vor fremden Invasionstruppen weiter in die Berge hinauf zurückzogen. Die venezianischen Truppen waren wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ gegen sie ausgerückt.

    Ein paar Literatur Tipps von mir:

    Kapitän Manolis Panduwas – Der Anführer des nationalen Widerstandes in Kreta. Seine Erinnerungen an den Kampf von Antoni K. Sanudaki, Verlag Knossos Athen, 1994

    Schatten ohne Mann – Die deutsche Besetzung Kretas 1941-1945 von Ulrich Kadelbach, Verlag Dr. Thomas Balistier, 2002

    Andartis – Monument für den Frieden Krieg – Widerstand – Versöhnung von Karina Raeck, Verlag Dr. Thomas Balistier, 2016

    Bericht der Zentralen Kommission zur Feststellung der Gräueltaten auf Kreta, Gesellschaft für Kretische Historische Studien, 2017

    Pavlo – der kleine Andarte – Kindheit im besetzten Kreta 1941- 1945 von Stephan D. Yada-Mc Neal, Books on Demand

    Dichter im Waffenrock – Erhart Kästner in Griechenland und auf Kreta 1941 bis 1945 von Arn Strohmeyer, Verlag Dr. Thomas Balistier, 2006

    General Kreipe wird entführt – Ein Husarenstück auf Kreta 1944 von Hans Prescher, Verlag Dr. Thomas Balistier,2007

    Die Entführung des General von Patrick Leigh Fermer, Dörlemann Verlag, 2014

    Die Entführung von General Kreipe von G. Harokopos, von V. Kouvidis und V. Manouras, Heraklion, 2002

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