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35 Jahre deutsche Einheit

Alle reden und schreiben über 35 Jahre deutsche Einheit. Heute ist der 3. Oktober 2025. Deutschland begeht den Tag der Wiedervereinigung seiner östlichen und westlichen Landeshälfte zur gemeinsamen Bundesrepublik Deutschland. Ich möchte den heutigen Tag für einen ganz eigenen und persönlichen Rückblick auf die Wiedervereinigung nutzen.

In diesem Beitrag geht es – untypisch für meinen Blog – nicht um Griechenland oder griechische Themen. Es geht ausschließlich um Deutschland. Ich bitte Euch dafür um Nachsicht. Diese Zeilen sind mir ein persönliches Bedürfnis.

Roland im November 1989

Ich erinnere mich noch an den Tag der Grenzöffnung. Damals war Deutschland geteilt, im Osten gab es einen Staat namens ‚Deutsche Demokratische Republik‘. Die Grenze war mit Mauer, Stacheldraht und Selbstschussanlagen gesichert.

Damals war ich Soldat bei der Bundeswehr. Im vierten Quartal 1989 war ich in Clausthal-Zellerfeld stationiert. Die ganze Zeit rumorte es schon im Gebiet der DDR. Die Menschen gingen auf die Straße und forderten Dinge, die für uns im Westen selbstverständlich waren. Sie wollten frei ihre Meinung sagen dürfen, ihre Regierung selbst wählen und verreisen können, ohne den eigenen Staat um Erlaubnis fragen zu müssen. Die Grenzöffnung brachte den Umbruch.

Roland Richter 1989 bei der Bundeswehr
1989 bei der Bundeswehr

Dieser Umbruch traf mich ins Herz. Meine Familie väterlicherseits stammt aus Döbeln in Sachsen. Mein Vater blieb zunächst in der DDR, bekam später aber von der Staatssicherheit ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte. Er sollte studieren, die Bekanntschaft gewisser anderer Studenten machen und an die Stasi berichten. Ihm blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Also fuhr er nach Berlin. Statt an der vorgesehenen Station auszusteigen, fuhr er weiter über die noch offene Grenze und war im Westen. So konnte er gemeinsam mit seinem Bruder dieser Situation entkommen.

Alle seinen engeren Familienmitglieder waren da schon im Westen. Ich kann mich noch an Familientreffen erinnern, in der meine Großmutter (Jahrgang 1904) mit ihren Schwestern sächselte und einige jüngere Familienmitglieder taten es auch. Ich selbst bin in Norddeutschland aufgewachsen, daheim sprachen wir reines Hochdeutsch. Sächseln konnte ich nicht. Aber es zu hören, berührte mich doch.

Der 9. November 1989 war ein Donnerstag. Als ich am Freitagmorgen aufwachte, machten die Neuigkeiten aus Berlin schnell die Runde. Die Offiziere warnten uns noch davor, von der neuen Reisefreiheit gen Osten Gebrauch zu machen. Man ging davon aus, dass die dortigen Sicherheitskräfte unseren Aufenthalt möglicherweise länger als gewünscht andauern lassen würden.

Die Heimfahrt bei geöffneter Grenze

Ich hatte ohnehin vor, nach Hause zu meinen Eltern zu fahren. So wie an jedem Wochenende. Unterwegs war ich mit dem eigenen Auto. Die ganzen Berichte in den Nachrichten hatte ich noch recht nüchtern aufgenommen.

Dann spielten sie im Radio Bridge Over Troubled Water von Simon and Garfunkel. Ich bin seitlich an den Straßenrand gefahren und hielt das Auto an. Jetzt brach es aus mir raus. Mir war klar, dass die Öffnung der Mauer zwangsläufig das Ende der SED-Diktatur bedeuten musste. Die Machthaber im Osten haben sich entschieden, die Demonstranten nicht zu erschießen und zu unterdrücken. Sie haben sich dem Willen des Volkes gebeugt. Die Öffnung der Grenze war erst der Anfang.

Bridge Over Troubled Water ist das Lied, das für mich aus diesem Grund das Lied schlechthin anlässlich von 35 Jahre deutsche Einheit ist.

Die Menschen vollziehen die deutsche Einheit

Die Einheit kam bekanntlich auch. Es gab freie Wahlen. In deren Vorfeld war ich in Sachsen – konkret in Wurzen – unterwegs und habe dortige politische Freunde unterstützt. Als die Einheit am 3. Oktober 1990 in Berlin vollzogen wurde, fuhr ich gemeinsam mit einem Schulfreund dorthin und war vor dem Reichstag mit dabei. Mit wildfremden Menschen haben wir uns in den Armen gelegen. Menschen, die aus allen Teilen Deutschlands genau aus demselben Grund wie wir nach Berlin gekommen waren.

Schwarz-Rot-Goldene Fahnen wehen über Eisenach
schwarz-rot-goldene Fahnen wehen über Eisenach

Wenn andere behaupten, dass nach der Feier der nationalen Einheit eine Katerstimmung aufgekommen sei, dann muss ich klar sagen, dass ich das nie so empfunden hatte. Ehe ich zur Bundeswehr ging, habe ich nämlich über eine Sache sehr gründlich nachgedacht: Im Konfliktfall müsste ich gegen Deutsche kämpfen, die in der NVA der DDR dienen würden. Diese Gefahr war mit dem Vollzug der Deutschen Einheit gebannt. Und darüber bin ich bis heute froh.

Natürlich war die Einheit für viele Menschen mit Schwierigkeiten und auch Härten verbunden. Und damit meine ich nicht nur die Profiteure der SED-Diktatur. Dass mancher innerlich aufgegeben hat und mit der Entwicklung im vereinigten Deutschland nicht mitkenommen ist, finde ich sehr traurig. Die meisten Menschen in Deutschland haben aber ihren Weg gefunden.

Für mich ist übrigens Eisenach der emotionale Ort geworden, der mit seiner Wartburg für viele guten Dinge steht, die Deutschland für mich ausmachen: Kultur (Sängerwettstreit), das Wort Gottes in der eigenen Sprache hören dürfen (Bibelübersetzung durch Martin Luther) und die Forderung nach politischer Freiheit und Einigkeit in Deutschland (Wartburgfest der Burschenschaft 1817).

Deshalb habe ich als Bild zu diesem Beitrag schwarz-rot-goldene Fahnen gewählt, die über Eisenach wehen. Im Hintergrund sehen wir die Wartburg.

In dieser Hinsicht mag jeder in Deutschland einen anderen emotionalen Bezugspunkt haben, der für ihn oder sie die deutsche Einheit symbolisiert. Da mögen die Meinungen so vielfältig sein wie unser Land.

Mit mangelnder Einheit hat das nichts zu tun, sondern mit Freiheit und Vielfalt. 35 Jahre deutsche Einheit sind für mich ein guter Anlass, für einen entspannten Umgang mit uns selbst und unserer Vielfalt zu werben.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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