Geschichte

Alexandros Papadiamantis

Der griechische Schriftsteller Alexandros Papadiamantis gehört zu den ganz großen seiner Zunft. Seine Erzählung Die Mörderin ist heute ein fester Bestandteil des griechischen Literaturkanons. Auch wenn es einige seiner Werke in deutscher Übersetzung gibt, ist er bei uns wenig bekannt.

Die Jugend des Alexandros Papadiamantis

Alexandros Papadiamantis (Ἀλέξανδρος Παπαδιαμάντης) kam am 4. März 1851 auf der Insel Skiathos zur Welt. Dort starb er auch am 2. Januar 1911. Heute ist der Flughafen der Insel nach ihm benannt.

Alexandros Papadiamantis
Alexandros Papadiamantis

Sein Vater Adamantios Emmanouil war ein orthodoxer Priester. Die Mutter hieß Angeliki. Alexandros hatte noch acht Geschwister, von denen einige im Kindsalter starben. Der von Alexandros geführte Familienname Papadiamantis setzt sich einmal aus dem Beruf seines Vaters („Papa“) und dessen Vornamen zusammen. Er wählte sich seinen Familiennamen, benutzte aber auch andere Pseudonyme. Beispiele sind Vyzantinos (Βυζαντινός = Der Byzantiner) oder Skeptikos (Σκεπτικός = Der Skeptiker).

Alexandros ging auf Skiathos zur Volksschule. Danach verließ er die Insel, um auf Skopelos eine weiterführende Schule zu besuchen. In Chalkida ging er schließlich auf das Gymnasium. Nach einigen Schwierigkeiten legte der in Chalkida seine Prüfungen ab und besuchte ein Gymnasium in Piräus. In der Schulzeit unternahm er erste literarische Gehversuche.

Sein Vater hatte den Wunsch, dass Alexandros Priester wird. Das wollte er jedoch nicht. Ihm schwebte eher vor, ein Schriftsteller zu werden.

Student, Privatlehrer, Schriftsteller und Soldat

Alexandros schrieb sich in Athen an der Universität ein. Zu dieser Zeit war übrigens auch Georgios Vizyinos an der Universität.

Papadiamantis-Denkmal auf Skiathos
Papadiamantis-Denkmal auf Skiathos
(Bildquelle: Wikipedia)

Sein Studium schloss Alexandros nicht ab. Sein Plan war, sich voll und ganz der Schriftstellerei zu widmen.

Finanziell stand es nicht gut. Er lernte Englisch und Französisch. Auch war er als Privatlehrer tätig. Zu seinem Vater hatte er ein sehr angespanntes Verhältnis. Trotzdem musste er ihn immer wieder um Geld bitten.

1878 veröffentlichte er eine erste Reihe von Artikeln. 1879 folgte mit Die Migrantin ein erster historischer Roman, der als Fortsetzungsroman in einer griechischen Zeitung in Konstantinopel erschien.

Er hatte versucht, durch Aufrechterhaltung seines Status als Student die Einberufung zum Militär zu vermeiden. 1880/81 leistete er seinen Wehrdienst. Anschließend fand er eine Anstellung als Übersetzer und schrieb fleißig eigene Texte. Ein erster Erfolg war Die Zigeunertochter. Dieser historische Roman wurde sogar ins Italienische übersetzt.

Ein vollständiger Durchbruch blieb ihm verwehrt. Sein Wunsch war, mit seinen Einnahmen als Autor seine Familie auf Skiathos unterstützen zu können. Daraus wurde nichts. Bis zu seinem Lebensende hielt der Schriftsteller kein eigenes, von ihm verfasstes Buch in der Hand hielt.

Der Zurückhaltende

Alexandros Papadiamantis war in literarischen Kreisen durchaus anerkannt. Er war jedoch mit dem, was er erreicht hatte, nicht zufrieden.

Etwa ab 1886 begann er, die Öffentlichkeit zu meiden. Alexandros zog es nicht in die Salons von Athen, zu den Literaten. Normale, eher einfache Menschen waren ihm viel angenehmer. Zudem begann die Religion zunehmend wichtiger zu werden. Auch wenn er nicht Priester geworden war, blieb ihm sein orthodoxes Christentum sehr wichtig. So betätigte er sich zum Beispiel als Kantor.

Im Jahr 1895 starb Alexandros Vater. Zwei Jahre später begab er sich für eine längere Zeit zurück nach Skiathos. Die Verbindung zu seiner Heimatinsel wurde wieder stärker.

1902 bis 1904 hielt er sich sogar für volle vier Jahre dort auf. Er war in dieser Zeit literarisch sehr produktiv, fertigte viele Übersetzungen und schrieb Erzählungen. 1903 erschien sein bekanntestes Werk, Die Mörderin.

Sein Lebensende

Um Alexandros Gesundheit war es nicht gut bestellt. Er sprach zunehmend dem Alkohol zu und rutschte in einen echten Alkoholismus. Zudem litt er an Rheuma.

Trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen war er literarisch auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Die meisten seiner Erzählungen wurden veröffentlicht.

Allerdings verstand er sich nicht auf die wirtschaftlichen Aspekte seines Berufs. Es gelang ihm nie, zu Wohlstand zu kommen. Auch legte er keinen Wert darauf, in die Gesellschaft integriert zu werden. Vielleicht gefiel er sich auch in der Rolle des armen und zugleich tiefreligiösen Schriftstellers, der zurückgezogen und asketisch lebte.

1908 jährtes sich seine Tätigkeit als Schriftsteller zum 25. Male. Bewunderer seines Schaffens richteten aus diesem Grund eine Feier aus. Bezeichnend für Alexandros Charakter in dieser Zeit ist, dass er auf dieser Feier trotz Bitten nicht erschien.

Das alles war ihm vielleicht zu viel. Er brach seine Zelte in Athen ab und ging zurück nach Skiathos. Im Oktober 1910 erkrankte er an einer Lungenentzündung, von der er sich nicht mehr erholen sollte. In der Nacht vom 2. auf den 3. Januar 1911 schloss Alexandros Papadiamantis für immer seine Augen.

Alexandros Papadiamantis literarisches Werk

Im Rahmen dieses Beitrags kann ich nicht alles benennen, was aus der Feder dieses großen Schriftstellers geflossen ist. Er hat sowohl Romane als auch Erzählungen verfasst. Zudem gibt es religiöse Artikel und verschiedene andere Texte. Schließlich war er auch ein sehr fleißiger Übersetzer.

Ich kenne die meisten seiner Texte nicht. An dieser Stelle möchte ich aber zumindest vier seiner Romane kurz vorstellen.

Die Mörderin

Sein bekanntestes Werk ist Die Mörderin (η φόνισσα). Es erschein erstmals 1903 als Fortsetzungsgeschichte in einer Athener Zeitung und gilt bis heute als eines der wichtigsten Werke der neugriechischen Prosa. Die Geschichte spielt auf Skiathos und handelt von einer Frau namens Frangojannou, die auch Chadoula genannt wird. Frangojannou ist um die 60 Jahre alt und Hebamme sowie Heilerin. Sie hält bei ihrer kranken, erst zwei Wochen alten Enkeltochter Wache.

Frangojannou denkt an ihr eigenes, sehr schweres Leben. Sie fühlte sich wie eine Sklavin, erst der Eltern, dann des Ehemannes und schließlich ihrer Kinder. Das Schicksal, als Mädchen geboren zu sein und solch ein Leben erleiden zu müssen, will sie ihr Enkelin ersparen. Schließlich erstickt Frangojannou ihre Enkelin. Da das Kind sehr krank war, fällt kein Verdacht auf sie. Im weiteren Verlauf des Romans sterben vier weitere Mädchen durch ihre Hand. Schließlich wird sie doch verdächtig, versteckt sich, tötet ein weiteres Kind und flieht. Für Frangojannou nimmt die Sache kein gutes Ende.

Alexandros schrieb mit Die Mörderin einen Thriller, der zugleich auch eine psychologische Novelle war. Für spannende Unterhaltung war also gesorgt. Und der Leser wurde mit einem echten sozialen Problem der Zeit konfrontiert: Die Armut der Landbevölkerung und die Tradition der Mitgift. Da eine bedeutende Mitgift unbedingte Pflicht war, übernahmen sich manche Familien und ruinierten sich. Die Tötung neugeborener Mädchen war kein unbekanntes Phänomen. Und die Ungerechtigkeit, die Frangojannou hinsichtlich ihrer Stellung als „Sklavin“ ihrer Familie empfand, ist für den Leser ebenfalls nachzuvollziehen.

Weitere Romane

Alexandros erster Roman hieß Die Migrantin ((Η μετανάστις). Er erschein 1879 in Konstantinopel als Fortsetzungsgeschichte in der Zeitschrift Neologos. Die Geschichte dreht sich um eine junge Frau. Sie stammt aus einem kleinen Dorf auf der Insel Skiathos stammt und zeiht nach Athen zieht. Dort sucht sie ein besseres Leben. Es geht um die Schwierigkeiten und Herausforderungen, mit denen sie in der großen Stadt konfrontiert ist. Das Werk beleuchtet Themen wie Migration, Heimatverlust, Identität und die oft harten Realitäten des Stadtlebens im 19. Jahrhundert.

Sein zweiter Roman heißt Die Kaufleute der Nationen (Οι Έμποροι των Εθνών). Erstmals erschien er Ende 1882/Anfang 1883 als Fortsetzungsgeschichte. Die Geschichte spielt zwischen 1199 und 1207, als venezianische und genuesische Piraten die Kykladen erobern wollen. Ioannis aus Naxos, selbst Pirat, rettet den Venezianer Marco vor den Genuesern und nimmt ihn in seinem Haus auf. Dort lebt noch Ioannis Frau Augusta. Zwischen ihr und Marco entsteht eine Leidenschaft, die beiden fliehen nach Venedig. Natürlich war Ioannis davon alles andere als begeistert, und schließlich nimmt die Geschichte eine sehr dramatische Wendung.

Der dritte Roman aus der Feder von Alexandros hieß Das Zigeunermädchen (Η Γυφτοπούλα). Die Geschichte erschien erstmals 1884 als Fortsetzungsgeschichte. Die Geschichte spielt 1453, kurz vor dem Fall von Konstantinopel. Es geht um ein junges Mädchen, das in Mystras nach seiner Identität sucht.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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