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Die Mythologie der Griechen von Karl Kerényi

Das Buch von Karl Kerényi über die Mythologie der Griechen war für mich persönlich der Schlüssel dazu, in den alten Geschichten mehr sehen zu können als nur eine Geschichte. Gerne stelle ich es im Hellas Blog vor.

Karl Kerényi und Die Mythologie der Griechen

Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die Bücher von Karl Kerényi über die Mythologie der Griechen eines der ganz grundlegenden Werke zum Thema sind.

Karl Kerényi - Die Mythologie der Griechen
Karl Kerényi – Die Mythologie der Griechen

Ich spreche ganz bewusst von „den Büchern“, auch wenn Ihr auf dem Bild zu diesem Beitrag nur ein Buch seht. Band 1 ist 1951 erschienen, er behandelt die Götter- und Menschheitsgeschichten. Band 2 ist von 1958, in ihm geht es um die Heroengeschichten. Antiquarisch wird das Werk oft in älteren Ausgaben mit zwei Bänden angeboten. Aktuell sind beide Bände in einem Buch vereint auf dem Markt. Inhaltlich macht das keinen Unterschied. Beziehst Du Dich auf „den Kerényi“, dann ist es wichtig zu sagen um welche Ausgabe es geht. Die Paginierung der Bücher variiert in den unterschiedlichen Ausgaben. Wenn Du aus dem Kerényi zitiersst, dann gib immer an, mit welcher Ausgabe Du arbeitest. Sonst findet der neugierige Leser Deine Quelle im Zweifel nicht.

Band 1: Die Götter und Menschheitsgeschichten

Der erste Band ist in 15 Abschnitte aufgegliedert, die durch die griechische Vorstellungswelt führen.

Er führt uns zum Anbeginn von allem. Es gab mehrere Schöpfungsmythen. Wir erfahren, wie die Welt entstanden ist und welche Rolle Okeanos und Thetys dabei gespielt haben. Die beiden waren sehr fleißig in ihrer Gemeinsamkeit. 3000 männliche und 3000 weibliche Okeaniden sind ja nicht zufällig in die Welt gekommen.

Schöner finde ich persönlich die Geschichte vom Ei, aus dem alles kam. Die Urnacht war ein schwarzer Vogel. Befruchtet vom Wind legte sie ihr silbernes Ei in den Riesenschoß der Dunkelheit. Aus dem Ei trat der Sohn des Windes hervor, ein Gott mit goldenen Flügeln. Chaos, Gaia und Eros bilden schließlich den dritten Mythos.

Kerényi geht dann weiter zu den Titanen und zu den Moiren und weiteren vorolympischen Gottheiten. Zu den Olymischen Göttern kommt er über Aphrodite, dann über die große Mutter der Götter zu Zeus, Metis und Pallas Athene, Apollon und anderen. Im Buch gibt er nicht jedem der Götter gleich viel Raum. Athene sind mehrere Seiten gewidmet, über Hestia finde ich kaum etwas. Das ist schade. Aber ich verstehe den Autoren, der eine Auswahl treffen muss und seine Darstellung nicht ausufern lassen will. Trotzdem hätte ich zu einer olympischen Göttin zumindest eine ganze Seite erwartet.

Band 2: Die Heroengeschichten

Der zweite Band des Kerényi dreht sich um die Geschichten mythischer Helden von Urzeiten bis um den Trojanischen Krieg. Er ist in drei Bücher unterteilt. Die Geschichten von Perseus, Tantalos oder Ödipus sind wirklich gut erzählt. Im zweiten Band geht es es um Herakles, seine Herkunft und Abenteuer.

Ich mag ja die Erzählung vom Stall des Augias sehr. König Augias war sehr reich, er besaß viele Kuhherden. Das war die Kehrseite seines Reichtums: Der viele Mist verschmutzte alle Ställe und verpestete das Königreich des Augias. Herakles bekam die Aufgabe gestellt, den ganzen Mist an einem Tag fortzuschaffen. Herakles öffnete die Grundmauern der Stelle. Er leitete einen Fluss – nach anderen Quellen sogar zwei Flüsse – hinein. Der gesamte Schmutz wurde binnen eines Tages weggespült. Hieraus lernten die antiken Griechen eine Regel für das Leben, die bis heute gilt: Sind die Missstände groß und seit langem vorhanden, hilft manchmal nur eine radikale Maßnahme. Können Menschen die Arbeit nicht erledigen, können sie sich der Hilfe der Naturkräfte bedienen.

Schließlich erfahren wir noch viel über Jason und Medeia, Orpheus und Euridike, Geschichten um den Trojanischen Krieg und andere. Allerdings gibt Kerényi diesen Geschichten nicht so viel Raum. Ich empfinde diese Darstellungen als relativ oberflächlich. Das mag aber auch daran liegen, dass ich irgendwann mit dem Lesen „satt“ war.

Verdichtete Erzählung, ein informativer Anhang

Ganz bewusst vertiefe ich die einzelnen Geschichten und Kerényis Darstellung jetzt nicht mehr. Seine Erzählung ist sehr verdichtet. Wer mehr wissen möchte, dem hilft der Autor durch seine Quellenangaben. Im Buch nimmt der Verfasser Bezug auf viele bildliche Darstellungen der mythischen Gestalten. In der von mir besprochenen Ausgaben gibt es einen Anhang, in dem viele dieser Bilder gezeigt werden. Das empfinde ich als eine große Unterstützung beim Eintauchen in die antiken Mythen.

Über Karl Kerényi

Der Ungar Karl Kerényi gilt manchen als einer der wichtigsten Religionswissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Zur Welt kam er am 19. Januar 1897 in Temesvár, das damals zum Königreich Ungarn in der Habsburger-Doppelmonarchie Österreich-Ungarn gehörte.

Seine akademische Ausbildung war die eines klassischen Philologen, er studierte an der Universität Budapest.

Karl Kerényi
Karl Kerényi
(Bildquelle: Klett Cotta)

Dort wurde er 1919 mit einer Arbeit über Platon und Longinus promoviert. Als Forschungssprache hatte er sich bewusst für Deutsch entschieden.

Zunächst unterrichtete Kerényi an verschiedenen Gymnasien und Budapest Latein und Altgriechisch. Daneben unternahm er Reisen in den Mittelmeerraum und Forschungsaufenthalte an den Universitäten Greifswald, Berlin und Heidelberg. Die Habilitation erfolgte 1927 an der Universität Budapest. Ab 1934 hatte er eine Professur für Altertumskunde an der Universität Pécs (deutsch: Fünfkirchen) inne. Der Universität Budapest bleibt er durch seine freitäglichen Vorlesungen über über antike Literatur und Mythologie verbunden, die in freiheitlichen Kreisen einen sehr großen Zuspruch erfuhren.

Als es in den 1930er Jahren in Ungarn zu einer starken Verschiebung der politischen Kräfte nach rechts kam, wurde auch das Universitätswesen reformiert. Professoren, die sich nicht fügen wollten, hat man an die Universität Szeged versetzt. Karl Kerényi war einer von ihnen.

1943 gab es in Ungarn politische Bestrebungen, die nazifreundliche Politik zu revidieren und Anschluss an den Westen zu finden. Als Botschafter eines freiheitlich denkenden, anti-faschistischen Ungarn hat man Wissenschaftler in westliche Länder mit dem Status eines Diplomaten geschickt. Für Kerényi ging es in die Schweiz. Als am 19. März 1944 die Wehrmacht in Ungarn einmarschierte und es besetzte, sandte er seinen Diplomatenpass zurück und blieb als staatenloser Ausländer in der Schweiz. Hier setzte er sein wissenschaftliches Wirken fort.

Nach Ende des 2. Weltkriegs

1947 reiste Kerényi nach Ungarn, um an der Akademie der Wissenschaft eine Rede zu halten. Kaum in Budapest angekommen, warnte man ihn vor der unmittelbar bevorstehenden kommunistischen Machtübernahme. Kerényi fuhr unmittelbar zurück in die Schweiz, wo er blieb und später sogar Schweizer Staatsbürger wurde. Der ungarische Propaganda-Apperat diskreditierte ihn und entzog ihm sogar seine akademischen Titel. Die wurden ihm erst nach der Wende 1989 post mortem zurückerkannt.

Karl Kerényi forschte weiter bei Zürich und wirkte dort als akademischer Lehrer. An verschiedenen westeuropäischen Universitäten – unter anderem in Bonn – hatte er Gastprofessuren inne. Am 14. April 1973 starb Karl Kerényi in Kilchberg in der Schweiz. Beigesetzt wurde er auf dem Friedhof von Ascona.

Kerényi galt als einer der letzten Vertreter der großen Tradition der humanistischen Altertumswissenschaften. Er hinterließ ein umfangreiches Schriftwerk, das bis heute eine wichtige Erkenntnisquelle zum antiken Griechenland ist.

Rolands Meinung zu Die Mythologie der Griechen

Im Vorwort schreibt der Verfasser, dass sein Buch dem Leser die Gelegenheit biete, die Göttergeschichten der griechischen Mythologie und diejenigen vom Ursprung und Schicksal der Menschheit wie die Kapitel eines einzigen Erzählungswerks vom Anfang bis zum Ende zu lesen. Ich finde, dass Karl Kerényi diesem Anspruch voll und ganz gerecht geworden ist. Er hat es geschafft, über Sagen und Mythen der antiken Griechen ein Sachbuch zu schrieben, das sich wie ein spannender Roman liest. Auch mehr als 60 Jahren nach dem Erscheinen der beiden Bände ist die Mythologie der Griechen meine unbedingte Leseempfehlung für jeden, der mehr über die alten und spannenden Geschichten aus Griechenland erfahren möchte.

Für mich kann ich es so sagen: Gustav Schwab eröffnete mir die Sagenwelt der Griechen, Karl Kerényi hat sie mir in Die Mythologie der Griechen erklärt.

Mit seiner Schwerpunktsetzung komme ich nicht so ganz zurecht. Das will ich zum Abschluss dieser Rezension noch sagen. Oben erwähnt habe ich schon, dass ich die Vorstellung Hestias unter den Olympischen Göttern vermisst habe. Odysseus wird bei den Helden des Trojanischen Krieges erwähnt, aber die Odyssee reißt Kerényi nur knapp ab. Ich persönlich hätte hier mehr erwartet. Vielleicht liegt meine Erwartung aber auch daran, dass es nach Erscheinen des 2. Bandes (1958) sehr viele neue Erkenntnisse gegeben hat. So wird mehr und mehr versucht, die in der Odyssee genannten Orte zu identifizieren und einen historischen Kern der Erzählung zu finden. Vieles davon war 1958 noch nicht bekannt. So zeigt sich: Auch ein noch so gutes Buch bleibt zwangsläufig auf dem Stand seines Erscheinens stehen.

Das soll aber niemanden davon abhalten, sich dieses Buch ins Regal zu stellen. Unter den für das nicht-wissenschaftliche Publikum geschriebenen Büchern zur griechischen Mythologie nimmt der Kerényi nach wie vor einen Spitzenplatz ein. Wer sich dafür interessiert, sollte es sich besorgen.

Wo kann ich Die Mythologie der Griechen kaufen?

Du bekommst Die Mythologie der Griechen in jeder Buchhandlung und auch im Online-Handel. Das Buch ist sowohl als Taschenbuch als auch als E-Book erhältlich.

Wer das Buch kaufen möchte, braucht dafür diese Informationen:

  • Die Mythologie der Griechen
  • 14. Druckauflage 2022 (Edition 17. Juli 2013)
  • von Karl Kerényi
  • erschienen: 1951 (1. Band) und 1958 (2. Band)
  • ISBN: 978-3608943733 (Taschenbuch) bzw. ASIN B00JP4QU5Q (E-Book)
  • Verlag: Klett Cotta
  • Preis: 25,00 Euro (Taschenbuch) bzw. 19,99 (E-Book)
  • 452 Seiten (Seitenzahlen anderer Auflagen weichen ab)

Mehr über Die Mythologie der Griechen erfährst Du auf der Homepage des Verlags.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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