Karl Kerényi
Der Ungar Karl Kerényi gilt manchen als einer der wichtigsten Religionswissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Zur Welt kam er am 19. Januar 1897 in Temesvár, das damals zum Königreich Ungarn in der Habsburger-Doppelmonarchie Österreich-Ungarn gehörte.
Ein ungarisches Kind der KuK Zeit macht seinen Weg
Karl Kerényi gilt als Religionswissenschaftler, aber eigentlich ist er ein klassischer Philologe. Er studierte an der Universität Budapest.
1919 wurde Karl Kerényi an der Universität Budapest mit einer Arbeit über Platon und Longinus promoviert. Die hat er trotz des gerade erlebten Endes der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie bewusst auf Deutsch verfasst. Der deutschen Sprache fühlte er sich ebenso verbunden wie dem Ungarischen.
Kerényi arbeitete zunächst als Lehrer. An verschiedenen Gymnasien und Budapest unterrichtete er Latein und Altgriechisch. In seiner freien Zeit unternahm er Reisen in den Mittelmeerraum. Hinzu kamen Forschungsaufenthalte an den Universitäten Greifswald, Berlin und Heidelberg. Mit der Doktorarbeit wollte Kerényi es nicht bewenden lassen, ihn zog es in die akademische Welt.
1927 habilitierte er sich an der Universität Budapest. Zum ganz großen Sprung dauerte es noch etwas. Eine Professur für Altertumskunde konnte er erst 1934 an der Universität Pécs (deutsch: Fünfkirchen) erhalten. Seiner Alma Mater in Budapest blieb er jedoch verbunden. Jeden Freitag hielt er dort Vorlesungen über antike Literatur und Mythologie . Dabei blieb er nicht unpolitisch, in freiheitlich orientierten Kreisen erfuhren sie sehr großen Zuspruch.
Das sollte sich in der Folge als ungünstig für seine weitere berufliche Entwicklung erweisen. In den 1930er Jahren kam es in Ungarn zu einer starken Verschiebung der politischen Kräfte nach rechts. Das Land machte im europäischen Kontext leider keine Ausnahme. Die neuen Machthaber ordneten auch das Universitätswesen neu nach ihren Vorstellungen. Nicht alle Professoren wollten sich dem fügen. Diese hat man an die Universität Szeged versetzt. Karl Kerényi war einer von ihnen.
Ungarns Wende 1943 und der deutsche Einmarsch
Im zweiten Weltkrieg änderte sich einiges. In Ungarn gab es 1943 politische Bestrebungen, den Anschluss an den Westen zu suchen und die bisherige nazifreundliche Politik zu revidieren. Die neue Regierung hat Wissenschaftler in westliche Länder geschickt, die als Botschafter eines freiheitlich denkenden, anti-faschistischen Ungarn fungieren sollten. Karl Kerényi war einer von ihnen. Für ihn ging es in die Schweiz.
Das Deutsche Reich hat einen Seitenwechsel inmitten seines Machtgebietes in Europa nicht akzeptiert. Deshalb marschierte die Wehrmacht am 19. März 1944 in Ungarn ein und besetzte es. Kerényis Reaktion war, dass er seinen Diplomatenpass nach Ungarn zurückschickte. Als staatenloser Ausländer blieb er in der Schweiz und widmete sich seiner wissenschaftlichen Arbeit.
Nach Ende des 2. Weltkriegs
Die Niederlage der Mittelmächte in Europa machte für Kerényi nicht alles gut. Ungarn war von der Sowjetunion besetzt. Ihm war nicht klar, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich für sein Heimatland bieten würden.
Also reiste Kerényi 1947 nach Ungarn. Er wollte an der Akademie der Wissenschaft eine Rede halten. Man kann sagen, dass er die Lage völlig falsch eingeschätzt hatte. Umgehend nach seiner Ankunft in Budapest warnten seine Vertrauten ihn vor der unmittelbar bevorstehenden kommunistischen Machtübernahme. Bei den angehenden linken Machthabern war er so beliebt wie bei den vorherigen rechten Machthabern. Das bedeutete für Karl Kerényi eine hohe persönliche Gefahr.
Also fuhr er sofort zurück in die Schweiz. Dort blieb er und integrierte sich. Die Hoffnung auf eine Rückkehr nach Ungarn hatte er nicht. Später ist er übrigens sogar Staatsbürger der Schweiz geworden.
Da die kommunistischen Machthaber in Ungarn seiner nicht persönlich habhaft werden konnten, griffen sie ihn über die Propaganda an. Sie diskreditierten Karl Kerényi wie es nur ging. Sogar seine akademischen Titel haben sie ihm entzogen. Erst nach der Wende 1989 hat Ungarn diese Ungerechtigkeit zumindest postum wieder gutgemacht und sie ihm post mortem zurück erkannt.
Karl Kerényi wirkte in Zürich als akademischer Lehrer und widmete sich seinen Forschungen. In Bonn und anderen westeuropäischen Universitäten unterrichtete er im Rahmen von Gastprofessuren.
Am 14. April 1973 starb Karl Kerényi in Kilchberg in der Schweiz. Beigesetzt wurde er auf dem Friedhof von Ascona.
Kerényi galt als einer der letzten Vertreter der großen Tradition der humanistischen Altertumswissenschaften. Er hinterließ ein umfangreiches Schriftwerk, das bis heute eine wichtige Erkenntnisquelle zum antiken Griechenland ist.
Die Mythologie der Griechen
Kerényis zweibändiges Werk zur Mythologie der Griechen habe ich ausführlich im Hellas Blog vorgestellt.