GriechenlandReisetipps und Tourismus

Athen: Wacht auf!

In Athen habe ich an einer Wand die Forderung Wacht auf! gesehen. In englischer Sprache. War das der Streich eines dummen Jungen? Oder ist das der Hinweis darauf, dass eine soziale Bombe tickt? Dass Sprengstoff da ist, an dem Nicht-Griechen einen Anteil haben? Ich denke, dass letzteres der Fall ist.

Wake Up - Schriftzug auf einem Haus in Athen
Wake Up – Schriftzug auf einem Haus in Athen

Vor einiger Zeit habe ich Euch über ein Programm zur Verschönerung von Hausfassaden berichtet, das die Stadt Athen aufgelegt hat.

Ich habe bei meinen Streifzügen durch die Stadt ein Haus fotografiert, auf dem in dicken Buchstaben WAKE UP! steht. Das bedeutet wacht auf!

Die Botschaft ist klar. Wacht auf! In Athen muss etwas passieren. Viele Gebäude sind in einem erbärmlichen Zustand, zumindest was ihr Äußeres angeht.

Die Person, welche die Botschaft auf die Hauswand gemalt hat, wollte vermutlich keine Botschaft an die Hausbesitzer richten, nach der sie die Fassaden in Ordnung bringen sollen. Ich denke, sie bezog sich eher auf soziale Themen. Auch hier muss in Griechenland einiges passieren, insbesondere was das Thema Armut angeht.

Das Problem liegt aber keineswegs bei gammligen Gebäuden. In der Kernstadt von Athen haben wir die Situation, dass Touristen die normalen Griechen aus dem Leben verdrängen.

Armut in Athen: Wacht auf!

Aber dass Armut zwangsweise zu Verwahrlosung führt, muss nicht unbedingt sein. Es gibt gerade im ländlichen Griechenland reichlich Beispiele, in denen auch die wirtschaftlich nicht gut gestellten Eigentümer von Häusern diese schön machen. Warum soll das nicht auch in einer Stadt funktionieren?

Im Ergebnis geht es darum, dass die Menschen in der griechischen Hauptstadt ein besseres Leben haben sollen. Meine Meinung ist, dass eine schöne Wohnumgebung dazu gehört.

Was ich allerdings sehe, ist dass es in Athen zahlreiche soziale Probleme und eine Tendenz zur Verdrängung griechischer Menschen aus der Stadt gibt. Das ist nicht gut.

Touristen verdrängen die Griechen aus Athen

Athen ist bei Touristen sehr beliebt. Die Stadt ist im internationalen Vergleich nach wie vor günstig. Der Besucherrückgang während der Corona-Phase ist überwunden, die Gäste kommen wieder in Scharen herbei.

Das ist auch in anderen Reiseländern so. In Spanien formiert sich inzwischen Widerstand. Tourists go home heißt es ganz ausdrücklich. Das ist nicht der Stil, den ich von griechischen Menschen erwarte. Aber wenn die Rahmenbedingungen sich ändern, halte ich alles für möglich.

2023 sind sieben Millionen Besucher in die griechische Hauptstadt gekommen. Experten erwarten für 2024 eine Steigerung um 20%. Das Angebot an Hotels ist nicht in diesem Maße gewachsen. Allerdings sind viele Wohnungen in Unterkünfte für die Kurzzeit-Vermietung an Touristen umgewandelt worden. Sie fehlen so für die Mieter in Griechenland. Normale Griechen werden aus den touristisch interessanten Gebieten von Athen verdrängt, können wo anders aber nicht unterkommen.

Für dieses Phänomen ist inzwischen sogar ein eigenes Wort entstanden: Overtourism. In der deutschen Sprache gibt es dafür auch den Begriff Übertourismus. Davon spricht man, wenn zu viele Besucher eines Ortes zu Problemen führen, die das tägliche Leben der Einwohner negativ beeinflussen. Das hat kürzlich auf Santorin dazu geführt, dass der Bürgermeister einen Lockdown ausgerufen hat. Die Einheimischen sollen zuhause bleiben, damit die viel zu vielen Touristen von den Kreuzfahrtschiffen noch Platz auf der Insel haben.

So etwas muss über kurz oder lang ins Negative umschlagen. Und auch in Athen sehe ich die Gefahr, dass es den Menschen irgendwann reicht. Die Politik ist dazu aufgerufen, Tourismus und die Bedürfnisse der Einheimischen in einen guten Ausgleich zu bringen

Die Zuwanderung über viel Geld

In Griechenland gibt es ein Programm, über das reiche Menschen aus Nicht-EU-Ländern gezielt ins Land gelockt werden. Man nennt es das goldene Visum.

Kern des Problems ist, dass diese Leute einen für die ganze EU gültigen Aufenthaltstitel bekommen, wenn sie im Land eine bestimmte Geldsumme investieren und eine Firma gründen. Davon versprochen hat man sich, dass Ausländer Arbeitsplätze schaffen und zur Wirtschaftskraft des Landes beitragen.

Beliebt war bisher, dass diese Ausländer in einem touristisch beliebten Gebiet eine oder mehrere Wohnungen kauften. Statt an normale Mieter vermieten sie diese Wohnung an Touristen. Damit lässt sich mehr Geld verdienen. Diese Wohnungen fehlen für Einheimische, und das ist inzwischen ein echtes Problem.

Die Regierung hat reagiert. Die für das goldene Visum geforderte Investitionssumme hat man angehoben. Und der Kauf von Wohnungen in touristisch relevanten Regionen ist jetzt nicht mehr möglich. Das gilt ab 2025. Gegenwärtige Probleme werden dadurch nicht entschärft.

Die soziale Frage gährt in Athen

Griechenland muss aufpassen, dass die Stimmung im Land nicht kippt. Für sehr viele Menschen ist das Leben wirklich hart. Sie sehen, dass andere ihr Geschäft machen, sie dadurch verdrängt werden und keine Chance haben, selbst zu profitieren.

Ähnliches nehme ich aus vielen anderen Ländern in Europa wahr, auch aus Deutschland. In vielen Ländern entstehen populistische Bewegungen von rechts und links, weil die bisherigen maßgeblichen politischen Kräfte es nicht schaffen, für eine faire Situation zu sorgen.

In Griechenland gab es mit der SYRIZA schon eine solche Bewegung, die eine Zeit lang sogar den Ministerpräsidenten gestellt hat. Die grundlegenden Probleme im Land ist sie aber nicht angegangen. SYRIZA hat mittlerweile die sozialdemokratische PASOK im linken Lager abgelöst, was die politische Bedeutung angeht. Gut ist das nicht.

Mit der Goldenen Morgenröte gab es auch eine populistische Bewegung von rechts, die viel radikaler war als alles Rechtsradikale, was wir in Deutschland kennen. Sie bekam bei Wahlen bis zu 10% der Stimmen. Zum Glück ist diese Partei mittlerweile verschwunden, nachdem ihre führenden Personen krimineller Machenschaften überführt wurden. Aber die Gefahr einer radikalen Kraft von Rechts besteht noch immer.

Die heutige Regierung ist gezwungen, die sozialen Spannungen in Griechenland zu entschärfen. Ansonsten lassen die Menschen in Athen die Parole Wacht auf! eines Tages Wirklichkeit werden.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

3 Gedanken zu „Athen: Wacht auf!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner