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Agios Nikolaos in Kokkari hat keine Türme mehr

Die Kirche Agios Nikolaos in Kokkari wurde durch die Erdbeben 2020, 2022 und 2024 erschüttert beschädigt. Leider ist das Gotteshaus seit dem geschlossen. Es darf nicht betreten werden bis alle Schäden beseitigt sind. Am 5. Juli 2024 hat man die Arbeiten zur Entfernung der beiden Türme beendet. Jetzt sieht der Kirchenbau doch sehr gestutzt aus. Aber es geht im Augenblick nicht anders.

Das nehme ich zum Anlass, allen Samos-Fans diese Kirche etwas näher zu bringen. Sie ist auch von Außen wunderschön und beeindruckend. Auch wenn Du nicht rein kannst, lohnt sich der Trip nach Kokkari auf jeden Fall.

Die Kirche von Kokkari ist dem Heiligen Nikolaus geweiht, den die Griechen Agios Nikolaos (Αγίος Νικόλαος) nennen. Er ist der Beschützer der Seefahrer. Sein Feiertag ist der 6. Dezember, der man auch in Kokkari in der Kirche Agios Nikolaos in jedem Jahr begeht.

Die Geschichte der Kirche Agios Nikolaos

Ganz zentral in Kokkari liegt die Kirche Agios Nikolaos. Die Menschen müssen sich jetzt an ihr neues Erscheinungsbild gewöhnen. Die beiden markanten Türme fehlen.

Kirche Agios Nikolaos in Kokkari am 5. Juli 2024
Agios Nikolaos in Kokkari am 5. Juli 2024
(Foto: Birgit Bauer)

Die Kirche ist jung, man hat sie erst im 20. Jahrhundert gebaut. Ihre Geschichte beginnt am 31. Mai 1902. Samos gehörte damals noch zum Osmanischen Reich. Die Insel war ein weitgehend autonomes Fürstentum, es gab sogar ein eigenes Parlament. Das Oberhaupt der Insel war deren Fürst, das Amt wird auf Griechisch als Hegemon bezeichnet. In westeuropäischen Texten finde ich auch die Bezeichnung Prince, was ins Deutsche mit Fürst zu übersetzen ist und in diesem Fall nicht mit Prinz.

In Kokkari gab es schon länger den Wunsch, dass in der Stadt eine würdige und repräsentative Kirche gebaut werden sollte. Der damalige Bürgermeister – sein Name war Fotis Garoufalis – trieb die Sache voran. Vor allem die Frage der Finanzierung war zu klären, und hier nützten ihm seine politischen Kontakte ins Parlament der Insel.

Am 31. Mai 1902 beschloss das Parlament von Samos, dass eine Lotterie ausgeschrieben werden durfte. Deren Erlösen könnten den Kirchenbau bezahlen, so war der Plan. Das funktionierte auch. Der Metropolit von Samos – sein Name war Athanasios Kapouralis – gründete die Kirchengemeinde offiziell am 18. September 1902. Angelos Angelidis war der Architekt, der die Baupläne entwarf und umsetzen sollte. Von ihm stammen auch einige andere Kirchenbauten auf Samos.

Leider gab es auf der Insel politische Intrigen, die auch Auswirkungen auf das Bauvorhaben in Kokkari hatten. Der Fürst von Samos hieß zu dieser Zeit Alexandros Mavrogenis. Politische Gegner des Bürgermeisters von Kokkari überzeugten ihn, dass die Lizenz für die Lotterie ausgesetzt werden müsse. Das passierte auch im Jahr 1908.

Damit fielen dann auch die Einnahmen weg, die den Kirchenbau bisher finanziert haben. Die Bauarbeiten fanden vorläufig ein Ende.

Unruhige Zeiten halten die Fertigstellung der Kirche auf

1912/13 kam es zu großen Veränderungen auf der Insel Samos. Zwischen Griechenland und dem Osmanischen Reich wurden die beiden Balkankriege ausgetragen. Das führte auch auf Samos zu großen Unruhen. Der Fürst Andreas Kopasis hatte eine anti-griechische Haltung und sah die Zukunft der Insel bei den Osmanen. Er wurde am 22. Mai 1912 ermordet. Im Verlauf des Italienisch-Türkischen Kriegs (1911/12) zogen die Osmanischen Truppen sich im Mai 1912 von der Insel zurück. Am 11. November 1912 erfolgte die Proklamation des Anschlusses an Griechenland. Als Ergebnis der Balkankriege ist Samos 1913 endgültig ein Teil des Königreichs Griechenland geworden. Diese Unruhen und Umwälzungen führten dazu, dass die Bauarbeiten bis auf Weiteres liegen bleiben mussten. Wahrscheinlich dachten viele in Kokkari, dass es nie zur Fertigkstellung ihrer Kirche kommen sollte.

Die Pessimisten hatten ihre Rechnung ohne Ioannis Elisabetis gemacht, einem sehr wohlhabenden Einwohner von Kokkari. Der trommelte Dorfbewohner zusammen, die freiwillig die weiteren Arbeiten übernahmen. Ioannis Elisabetis hat die restlichen Kosten für die Fertigstellung des Gotteshauses übernommen.

1938 war Agios Nikolaos in Kokkari dann zumindest äußerlich fertig gestellt. Leider brachte der 2. Weltkrieg neues Ungemach über Samos. Erst besetzten italienische Truppen die Insel, im September 1943 kamen englische Truppen und die überließen Samos kampflos den Deutschen. Die Menschen in Kokkari hatten andere Sorgen und Nöte als den Innenausbau ihrer Kirche. Der musste ruhen, bis wieder bessere Zeiten kamen.

Die Kirche wird fertig gestellt

Ende der 1950er Jahren waren die schlimmsten Folgen des 2. Weltkriegs und des sich anschließenden Bürgerkriegs überwunden. Die Menschen von Kokkari hatten ihre Kirche nie aufgegeben, und jetzt konnte es mit dem Innenausbau weiter gehen. Am 8. Dezember 1963 ist es schließlich soweit. Der Metropolit von Samos und der erste Priester der Kirche weihen und eröffnen Agios Nikolaos.

Was Du über Agios Nikolaos in Kokkari wissen musst

Die Kirche Agios Nikolaos ist eine echte Sehenswürdigkeit auf Samos. Wenn Du auf der Insel bist, solltest Du sie unbedingt besuchen. Bring Dir etwas Zeit mit.

Kirche Agios Nikolaos in Kokkari von Innen
Kirche Agios Nikolaos in Kokkari von Innen
(Foto: Birgit Bauer)

Der Kirchenbau ist 41,5 m lang und 17 m briet. Damit ist Agios Nikolaos die größte Kirche auf Samos und auch eine der größten in der Ägäis. Es handelt sich um eine Basilika mit 3 Schiffen und einer Kuppel. Bis vor kurzem schmückten noch zwei Türme das Gotteshaus, die jetzt aber entfernt werden mussten. Erdbeben haben sie beschädigt.

Das Innere der Kirche ist mit weißem Marmor ausgekleidet. Die Handwerker kamen von der Kykladeninsel Tinos, auf der es eine große und berühmte Tradition der Verarbeitung von Marmor gibt.

Die Ikonostasen sind sehr sorgfältig gearbeitet. Eine Ikonostase ist die mit Ikonen geschmückte Wand einer Kirche. Sie hat oft drei Türen und bildet die Wand, die zwischen dem Altar und dem Naos – dem Raum für die Gläubigen steht. Der Ikonostasen sind auch aus Marmor geschaffen worden. Die Ikonostase im mittleren Kirchenschiff hat 1938 Nikolaos Perakis geschaffen. Er hat auch die Ikonostasen der beiden Seitenschiffe entworfen. Diese Arbeiten hat Ioannis Philippotis ausgeführt. Beide Marmorkünstler stammen von Tinos.

Die in den Ikonostasen untergebrachten Ikonen sind in der Zeit zwischen 1937 und 1939 entstanden. Der Hagiograph stammte von Samos und hieß Ionannis Sitaras.

Die Kanzel der Kirche ist das jüngste Element er Innenausstattung. Man hat sie 1975 aufgestellt.

Die Ikonen der Kirche

Ganz zentral für die Gemeinde ist die tragbare Ikone des Heiligen Nikolaos, die 1909 vom Orden der Danielaner auf dem Heiligen Berg Athos geschaffen wurde.

Viele Ikonen sind älter als die Kirche selbst. 1846 ist eine Ikone entstanden, welche Mariä Himmelfahrt zeigt. Natürlich gibt es auch eine weitere Ikone des Heiligen Nikolaus (1853), der Geburt der Jungfrau Maria (1861) und andere. Bemerkenswert finde ich eine Ikone der Agii Anárgiri (die Heiligen ohne Silber) Kosmas und Damianos von 1892. Die beiden waren Ärzte und haben Menschen ohne Bezahlung behandelt. So wurden sie zu Heiligen, die erkrankte Menschen um Unterstützung bei der Gesundwerdung anbeten.

Das Kirchen-und Volkskundemuseum im 1. Stock

Im 1. Stockwerk der Kirche befindet sich ein kleines Museum. Hier sind zum einen wertvolle religiöse Objekte zu sehen. Zum anderen sind traditionelle Werkzeuge und andere Gegenstände zu sehen, die in der Volkskultur auf Samos eine Rolle gespielt haben. Da die Kirche derzeit geschlossen ist, kannst Du das Museum nicht besuchen.

Die Kirche ist nicht offen

Leider darf Agios Nikolaos bis auf weiteres nicht betreten werden. Die Schäden durch das Erdbeben müssen erst beseitigt werden. Im Augenblick ist das Kirchengebäude leider nicht sicher. Daher ist die Kirche für Besucher geschlossen.

Vor dem Erdbeben war die Kirche am Vormittag zwischen 7 Uhr und 10:30 Uhr und am Abend zwischen 18 Uhr und 19:30 Uhr offen. Ich hoffe, dass dies in Zukunft wieder die Öffnungszeiten sein können.

Zwei Erdbeben trafen Agios Nikolaos in Kokkari

Bis vor kurzem hatte die Kirche noch zwei Türme. Zu diesem Teil meines Beitrags zeige ich Euch ein älteres Foto, auf dem man seine markante Erscheinung mit den beiden Türmen gut sehen kann.

Agios Nikolaos in Kokkari noch mit beiden Türmen
Agios Nikolaos in Kokkari noch mit beiden Türmen
(Foto: Birgit Bauer)

Am 30. Oktober 2020 fand in der östlichen Ägäis ein schlimmes Erdbeben statt. Auf Samos starben zwei Kinder. Ein Junge und ein Mädchen waren auf dem Heimweg von der Schule. Sie kamen an einem Gebäude vorbei, das wegen der Erschütterungen durch das Erdbeben eingestürzt ist. Retter haben die beiden Kinder aus den Trümmern nicht mehr lebend bergen können. Weitere Menschen auf Samos trugen Verletzungen davon. Das ist furchtbar, und die Meldungen über beschädigte Gebäude erscheinen da bedeutungslos. Auf Samos sind nach einer Meldung vom Folgetag 30 Gebäude eingestürzt, 150 weitere Gebäude erlitten durch die Erstöße erhebliche Schäden.

Genau zwei Jahre später – am 30. Oktober 2022 – erschütterten zwei kurz aufeinanderfolgende Erdbeben die Insel Samos. Über große Schäden habe ich in den Berichten nichts gelesen. Aber die beiden Stöße sind der durch das Beben 2020 schon geschädigten Kirche nicht gut bekommen.

Schäden am Turm der Kirche Agios Nikolaos in Kokkari
Schäden am Turm der Kirche
(Foto: Birgit Bauer)

Leider kam es am 9. Mai 2024 zu einem weiteren Erdbeben, das auch Kokkari betroffen hat.

Leider hat es die Kirche böse erwischt. Überall im Mauerwerk sind Risse. Hinten wird die Kirche mit Holzbalken abgestützt. Eine komplette Wiederherstellung des Gotteshauses liegt in weiter Ferne. Die Renovierung ist sehr, sehr teuer. Und es gibt nur ganz wenige Fachleute, die sich mit der alten Bauweise und Architektur auskennen.

Bis jetzt gelang es, das Gotteshaus zu erhalten. Aber leider ist der Wettlauf gegen die Zeit noch nicht gewonnen.

Das Kirchengebäude muss vollständig saniert werden. So wie es jetzt ist, ist es nicht sicher.

Die beiden Türme mussten abgebaut werden

Auf dem letzten Bild zu diesem Beitrag seht Ihr einen der beiden Türme aus der Nähe. Unten am Fundament und der Basis der Säulen sind Schäden auch für Laien wie mich gut zu erkennen.

Kommt es zu einer neuen Erschütterung oder auch zu einem sehr heftigen Sturm, können die Türme abbrechen und herunterstützen. Konkret bestand die Gefahr, dass die Türme auf die Straße stürzen. Das ist gefährlich für Menschen, die sich in der Nähe befinden.

Es kann auch sein, dass die Türme auf das Dach kippen und dieses beschädigen. Oder sie fallen die Fassade herunter und verursachen dort Schäden. Das ist wohl nur bei einem neuen Erdbeben möglich. Aber auszuschließen ist das nicht.

Die Türme ließen sich nicht mehr retten. Daher hat man sie abgebaut.

Leider weiß ich nicht, ob und wann man die schönen Türme der Kirche Agios Nikolaos wieder aufbaut. Vorrangig ist das Gebäude.

Der Wiederaufbau ist in erster Linie eine Frage des Geldes, das erst einmal da sein muss. Und Vorrang dürfte ohnehin die Rettung des eigentlichen Kirchenbaus haben. Auf die Türme wird man länger noch verzichten müssen.

Ich drücke der Gemeinde die Daumen, dass es gelingt, die Kirche zu retten. Und vor allem drücke ich die Daumen, dass man das Gebäude erdbebensicherer machen kann, als es bisher war.

Der Wiederaufbau der Türme wird die Krönung und der Abschluss dieser Arbeiten sein.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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