Griechenland

Spannungen um ein geplantes Tiefseekabel zwischen Kreta und Zypern

Zwischen den Inseln Kreta und Zypern soll Strom über ein Tiefseekabel transportiert werden, was aktuell zu Spannungen mit der Türkei führt.

Aktuell führt das in Neapel registrierte Vermessungsschiff Ievoli Relume in der Ägäis zwischen den Inseln Karpathos und Kasos Vermessungsarbeiten durch. Dieses Seegebiet befindet sich in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Griechenlands.

Ievoli Relume
Ievoli Relume
(Bildquelle: vesselfinder.net)

Was die Ausschließliche Wirtschaftszone eines Landes ist, regelt das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen in den Artikeln 55 bis 75. Die Ausschließliche Wirtschaftszone eines Landes ist das Meeresgebiet jenseits des Küstenmeeres mit einer Ausdehnung bis zu 200 Seemeilen. Andere Staaten haben hier nur eingeschränkte Souveränitätsrechte. Man muss allerdings wissen, dass die Türkei diesem Seerechtsübereinkommen nicht beigetreten ist. Aus ihrer Sicht hat es keine Relevanz. Griechenland gehört ihm seit 1995 an, Zypern immerhin schon seit 1988.

Die Griechenland Zeitung berichtet am 26. Juli 2024, dass dies militärische Aktivitäten der Türkei ausgelöst habe. Sie habe fünf Kriegsschiffe in die Region entsandt, darunter zwei Fregatten und eine Korvette. Die Schiffe hielten sich im internationalen Seegebiet auf, näherten sich jedoch griechischen Hoheitsgewässern. Hier ging es also um nichts anderes als ein Signal an die griechische Seite. Auf den Hintergrund dieser Aktivitäten geht die Griechenland Zeitung in ihrem Bericht leider nicht ein.

EuroAfrica Interkonnektor verbindet Ägypten, Zypern und Griechenland

Ich denke, dass die Vermessungsarbeiten der Ievoli Relume in Zusammenhang mit EuroAfrica Interkonnektor stehen. Das geplante Tiefseekabel verbindet eben auch Zypern mit Griechenland, was Spannungen mit der Türkei hervorruft.

Bei EuroAfrica Interkonnektor geht es darum, dass in Ägypten nachhaltig durch Wasserkraft erzeugter Strom über Zypern nach Europa transportiert werden soll. Strom, der am Assuan Staudamm erzeugt wird, kann so zu europäischen Verbrauchern gebracht werden. Das Kabel zwischen Ägypten und Zypern wird 498 km lang sein. Und die Unterwasser-Stromleitung zwischen Zypern und Kreta überbrückt eine Distanz von 898 km. Die Leitung ist auf eine Kapazität von 2000 Megawatt Strom in beide Richtungen ausgelegt. Jedes Jahr können mehr als 17,5 TWh von Nordafrika nach Europa transportiert werden. Das ist deutlich mehr als die Jahresproduktion des Assuan Staudamms. EuroAfrica Interkonnektor hat die Fähigkeit, auch z.B. durch in Ägypten erst noch zu errichtende Solarparks erzeugten Strom nach Europa zu bringen. Einen entsprechenden Kooperationsvertrag haben die Beteiligten am 6. Februar 2017 in Kairo unterzeichnet.

Schon früh wurde aber deutlich, dass die Türkei mit diesem Projekt nicht einverstanden ist. Das Kabel läuft zwischen Zypern und Kreta durch ein Seegebiet, dass die Türkei als eigene Wirtschaftszone beansprucht. 2019 haben die Türkei und Libyen ein Abkommen miteinander geschlossen, mit dem beide Länder den zwischen ihnen liegenden Korridor des Mittelmeeres untereinander aufteilen. Auf die in ihm liegenden griechischen Inseln nahm die Türkei keine Rücksicht. Dieses Abkommen ist international nicht anerkannt und hat keine völkerrechtliche Bedeutung. In Griechenland besteht die Befürchtung, dass die Türkei auf Basis dieses Abkommens einige griechische Inseln wie Kreta, Rhodos, Kasos oder Karpathos für sich beanspruchen könnte.

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Und genau das dürfte der Hintergrund sein, der die Türkei zur Entsendung seiner fünf Kriegsschiffe bewogen hat. Einmal möchte sie ihre eigenen Rechte in diesem Seegebiet demonstrieren, auch wenn sie die nach dem internationalen Völkerrecht nicht hat. Zum anderen möchte sie wegen des Unterseekabels gefragt werden.

Auch wenn das jetzt verhältnismäßig harmlos klingt, sind Griechenland und Zypern gut beraten, wenn sie die Türkei nicht um ihr Einverständnis bitten. Das Kabel wird zum Teil durch die Ausschließliche Wirtschaftszone dieser beiden Länder verlegt. Und die restliche Strecke läuft durch internationale Gewässer und nicht durch die Ausschließliche Wirtschaftszone der Türkei gemäß des Seerechtsübereinkommens.

Ich gehe davon aus, dass die Spannungen um das Tiefseekabel zwischen Kreta und Zypern nicht eskalieren werden. Momentan ist die Stimmung zwischen Athen und Ankara gut. Aber so lange aufgrund des Abkommens zwischen der Türkei und Libyen die Gefahr besteht, dass die Türkei zu Griechenland gehörende Inseln für sich beansprucht, hat Europa ein Problem. Es ist zu hoffen, dass es sich irgendwann in Wohlgefallen auflöst.

In der Verlegung dieses Tiefseekabels sehe ich eine Infrastrukturmaßnahme, die zur Energiewende auch in Griechenland beitragen sollen. Dass daraus ernste und gefährliche Spannungen entstehen, finde ich wirklich sehr schade.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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