Geschichte

Scherbe mit dem Namen des Perikles

Das Schicksal des antiken Staatsmanns Perikles war einst mit einer Scherbe verbunden. Zu sehen ist sie im Museum auf der Griechischen Agora.

Ostrakismos – die Volksabstimmung über das Schicksal eines Menschen

Im antiken Athen hatten die Bürger die Möglichkeit, über das Schicksal eines angeklagten Menschen abzustimmen.

Scherbe mit dem Namen des Perikles
Scherbe mit dem Namen des Perikles
(Foto: Thomas Walden)

Die Abstimmung fand mit Hilfe von Scherben statt, auf denen der Name des Angeklagten geschrieben stand. Dieses Verfahren nennt man Ostrakismos, was sich vom altgriechischen ὁ ὀστρακισμός ableitet.

Ursprünglich eingeführt wurde dieses Verfahren wohl als Notbremse gegen Alleinherrscher, so genannte Tyrannen. Das Volk hatte mit dem Ostrakismos eine Möglichkeit, diese abzusetzen und in die Verbannung zu schicken. Das Verfahren konnte aber jeden treffen, für dessen Verbannung die Mehrheit gestimmt hat.

Die erste derartige Abstimmung ist für das Jahr 487 v.Chr. überliefert. Hipparchos wurde verbannt, ein Verwandter des bereits verbannten Tyrannen Hippias. Im Jahr 482 v.Chr. traf das Schicksal dann die Familie des Perikles. Die Athener haben entscheiden, dass sein Vater Xanthippos ist in die Verbannung gehen musste. Derartige Abstimmungen liefen fast das ganze 5. vorchristliche Jahrhundert über. Sie verkamen aber mehr und mehr zu einem Instrument, mit dem missliebige politische Konkurrenten unter irgend einem Vorwand angeklagt und in die Verbannung geschickt wurden.

Für das Jahr 416 v.Chr. ist der letzte Ostrakismos überliefert. Danach stimmten die Bürger noch jahrzehntelang darüber ab, ob ein neuer Ostrakismos durchgeführt werden soll. Dafür fand sich aber keine Mehrheit mehr, so dass Athen dieses Verfahren irgendwann komplett abgeschafft hat.

Im Gegensatz zu anderen Begebenheiten aus der Antike ist die Quellenlage beim Ostrakismos seht gut. Weit über 10.000 Scherben hat man gefunden.

So wurde das Scherbengericht durchgeführt

Kam es zum Scherbengericht, mussten mindestens 6.000 Bürger Athens anwesend sein. Jeder brachte „seine“ Scherbe mit, auf der ein Name stand. Im Vorfeld mussten interessierte Leute also schon kräftig Stimmung für oder gegen eine Persönlichkeit gemacht haben. Ansonsten wäre deren Namen nicht in ausreichender Zahl auf den Scherben aufgetaucht.

In Verbannung hatte derjenige zu gehen, den von einer Mehrheit der (mindestens) 6.000 Bürger dafür benannt hat. Wer die Mehrheit der Stimmen hatte, musste Athen verlassen.

Die Scherbe des Perikles

Dass Perikles selbst verbannt wurde, ist nicht überliefert. Es hat aber viele Leute aus seinem persönlichen Umfeld getroffen.

Immerhin haben Archäologeneine Scherbe gefunden, die seinen Namen trägt. Wir können sie recht sicher dem Staatsmann Perikles zuordnen, denn neben seinem Namen sehen wir noch sein Patronym.

Allerdings ist der Name nicht ganz korrekt geschrieben. Auf griechisch wird der Name des Perikles als Περικλῆς geschrieben, am Ende ist das lange E (Eta = Η). Ich sehe als vorletzten Buchstaben aber ein kurzes E (Epsilon = Ε). Sein Vater Xanthippos schreibt sich auf griechisch Ξάνθιππος. Anstatt dem Xi (Ξ) am Anfang lese ich die Buchstaben Chi Sigma (ΧΣ). Dafür gibt es aber eine vermutlich recht banale Erklärung: Die Person, welche den Namen auf die Scherbe geschrieben hat, hat das so gemacht, wie er es mit seinen Fähigkeiten eben konnte – nach Gehör. Die korrekte Rechtschreibung der Namen schien nicht so wichtig gewesen zu sein, das Geschriebene musste aber einer konkreten Person zugeordnet werden können.

Die Scherbe selbst entstammt einer Keramik aus rotem Ton, die schwarz glasiert war. Vermutlich ist diese Keramik zerbrochen, was die letzte Nutzung der Scherbe für die anstehende Abstimmung dann ermöglicht hat. Der Schreiber hat den Namen des Perikles dann hineingeritzt.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

2 Gedanken zu „Scherbe mit dem Namen des Perikles

  • Sailer Ursula

    Den Begriff „Scherbengericht“ kannte ich schon lange, wusste aber bisher nicht woher dieser Ausdruck kommt.
    So hab ich mal wieder was dazugelernt.
    Danke, immer wieder interessant deine Artikel Roland.

    Antwort
    • Sehr gerne. Ich freue mich, wenn ich auch für jemanden mit Deiner Griechenland-Erfahrung ab und an etwas Neues habe.

      Antwort

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