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Zwei verloren geglaubte Werke des Euripides auf Papyrus entdeckt

Forscher haben in Ägypten einen Papyrus entdeckt, auf denen Tele zweier verloren geglaubter Werke des Euripides zu lesen sind. Darüber berichtet die NZZ am 4. November 2024 in ihrer Online-Ausgabe.

Papyrus mit Fragmenten von zwei Tragödien des Euripides
Papyrus mit Fragmenten von zwei Tragödien des Euripides
(Bildquelle: NZZ.ch)

Der Papyrus kam bei Ausgrabungen im ägyptischen Philadelphia zutage, die im November 2022 stattfanden. Für ägyptischen Ministerium für Tourismus und Altertümer arbeitet Basem Gehad. Auf einer Seite des Papyrus ist eine Landvermessung dokumentiert, die vermutlich im 2. Jahrhundert vor Christus durchgeführt wurde. Die andere Seite ist älter und wurde wohl um die Mitte des 3. Jahrhunderts beschrieben. Der Papyrus ist ein gutes Beispiel dafür, dass Recycling auch in der Antike selbstverständlich war.

Basem Gehad erkannte, dass es der Text auf der Rückseite sehr bedeutsam sein könnte und schickte einen Scan des Papyrus an [Yvona%20Trnka-Amrhein]Yvona Trnka-Amrhein, eine Assistenz-Professorin an der University of Colorado in Boulder.

Sie stellte fest, dass es sich um Fragmente einer Tragödie handelte. Mit Hilfe des Thesaurus Linguae Graecae untersuchte sie den Papyrus und stellte fest, dass es sich um einen Text von Euripides handeln könnte. Ihr Mentor John Gibert ist Experte dafür. Gemeinsam untersuchten sie das Fragment und fanden heraus, worum es sich handelte.

Zweiundzwanzig Zeilen kannte man schon in leicht abweichenden Varianten. Achtzig Prozent des Textes waren aber brandneu und die beiden amerikanischen Forscher konnten sie den Tragödien Polydos und Ino zuordnen.

Euripides

Neben Aischylos und Sophokles ist Euripides der jüngste der großen Tragödiendichter im antiken Griechenland.

Büste des Euripides am Nationalgarten in Athen
Büste des Euripides am Nationalgarten in Athen

Zur Welt kam er auf Salamis, vermutlich 485 v.Chr, 484 v.Chr oder 480 v.Chr. Er starb in der makedonischen Stadt Pella im Jahr 406 v.Chr.

Euripides hat etwa 90 Tragödien verfasst, von denen die meisten leider verloren gegangen sind. Bis in die heutige Zeit erhalten geblieben sind 18 Tragödien und eines seiner Sartyrspiele.

Euripides gilt immer noch als der meistgespielte Dramatiker der Weltliteratur. Es sind Die Bakchen, Elektra, Iphigenie in Aulis und Medea, die bis heute das Publikum unserer Welt in ihren Bann ziehen.

Über sein Leben wissen wir nur wenig. Sein Vater war ein gewisser Mnisarchos, seine Mutter hieß Kleito. Sie lebten in Attika, sind während des zweiten Perserkriegs aber nach Salamis geflohen. Dort kam Euripides zur Welt.

Später lebte er in Athen, wo er mit seinen Tragödien und Sartyrspielen große Erfolge feierte. Es wird berichtet, dass Euripides regelmäßig nach Salamis zurückgekehrt sein soll. Dort zog er sich in eine Höhle zurück, in der er seine Dramen verfasste. Diese Höhle des Euripides ist vor einigen Jahren identifiziert worden. Ich persönlich kann mir gut vorstellen, dass an dieser Geschichte etwas Wahres ist.

An dieser Stelle möchte ich nicht allzu viel über die Erfolge des Euripides schreiben. Das würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Kurz nach den Dionysien des Jahres 408 v.Chr. erhielt Euripides eine Einladung des makedonischen Königs Archelaos I. nach Pella. Dort starb der Tragödiendichter zu Beginn des Frühjahrs 406 v.Chr.

Polydos und Ino auf dem Papyrus, die verloren geglaubten Werke des Euripides

Polydos handelt von einem alten Mythos der Insel Kreta. König Minos trauert mit Pasiphaë um den gemeinsamen Sohn Glaukos. Der war in einen großen Behälter mit Honig gefallen und darin gestorben. Der Seher Polydos erweckte ihn wieder zum Leben. Untypisch für eine Tragödie bleiben alle Protagonisten am Leben.

Dagegen ist Ino eine ganz traditionelle Tragödie. Ino ist eine Tante des Dionysos und gehört der thebanischen Königsfamilie an. Ein Teil des Textes war auf Klippen in Armenien erhalten. Russische Wissenschaftler haben ihn Anfang des 20. Jahrhunderts kopiert. Das war ein Glücksfall. Denn die Klippen sind später bei Kriegshandlungen zerstört worden. Bisher dachte man, dass Ino eine böse Stiefmutter sei, welche die Kinder ihres Mannes aus einer früheren Ehe töten wollte. Aus dem jetzt gefundenen Papyrus erfahren wir, dass Ino nicht Täterin war, sondern (auch) Opfer. Eine andere Frau des Königs versucht, Inos Kinder zu töten. Ino wehrt sich, was aber ihre Kinder schließlich in den Selbstmord treibt. Die Geschichte ist von viel Chaos und Tod geprägt und passt gut in unsere Vorstellung von einer antiken Tragödie.

Die beiden auf dem Papyrus erhaltenen Werke des Euripides hat man verloren geglaubt. Ich finde es fantastisch, dass sie wieder aufgetaucht sind.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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