Geschichte

Der Handstreich von Athen am 30. Mai 1941

Der mutige Handstreich zweier junger Männer am 30. Mai 1941 sorgte dafür, dass ganz Athen auf der Akropolis keine Fahne sehen konnte. Das war ein Fanal, von dem ich zum Jahrestag berichten möchte.

Die Akropolis vor dem 2. Weltkrieg
Die Akropolis vor dem 2. Weltkrieg

Im Oktober 1940 wurde Griechenland wider Willen in den 2. Weltkrieg gezogen. Italien stellte dem Land ein Ultimatum, seine Besetzung zu dulden. Der griechische Diktator Ioannis Metaxas sagte nein. Das war am 28. Oktober 1940, die Griechen feiern diesen Ochi-Tag bis heute voller Stolz.

Italien griff an. Griechenland wehrte sich und fügte Italien eine Niederlage zu. Italien rief Deutschland zur Hilfe, die Wehrmacht griff an und die Sache wendete sich. Am 27. April 1941 marschierte die Wehrmacht in Athen ein.

Die Deutschen unterhielten viele Stellen in Athen und wollten jedem zeigen, wer hier das sagen hat. Also verschwand die griechische Fahne von der Akropolis. Statt ihrer wehte hier jetzt die Kriegsflagge der Wehrmacht. Das Hakenkreuz auf der Akropolis, und von ganz Athen aus war das zu sehen.

Auf die Akropolis gehört die Fahne Griechenlands. Die Bevölkerung empfand es als Schande, eine andere Fahne als die Griechenlands auf der Akropolis wehen zu sehen.

Für die Griechen kam noch etwas hinzu. Auch wenn Athen gefallen war, tobte noch die Schlacht um Kreta. Am 30. Mai 1941 kamen die ersten Meldungen in Athen an, dass Kreta gefallen war.

Die Fahne der Besatzer auf der Akropolis war ein Zeichen der Schande. Hinzu kam die Trauer, dass alle Anstrengungen und Opfer vergebens schienen.

Der Akt des Widerstands

Zwei junge Männer entschlossen sich, dieser Schande durch einen offenen Akt des Widerstandes ein Ende zu bereiten. Die beiden Männer hießen Manolis Glezos und Apostolos Santas. In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1941 zogen sie los und wagten das Unmögliche: Sie stiegen heimlich auf die Akropolis, holten die Fahne mit dem Hakenkreuz ein.

Die griechische Fahne auf der Akropolis (2015)
Die griechische Fahne auf der Akropolis

Als Athen am 31. Mai erwachte, konnte jeder sehen, dass die Fahne der Besatzer nicht mehr auf der Akropolis wehte.

Jeder sah, dass Widerstand möglich war. Der Handstreich am 30. Mai 1941 war ein Fanal für ganz Athen.

Glezos und Santas hatten bewusst Fingerabdrücke hinterlassen, um eine Identifizierung der Täter zu ermöglichen. Damit wollten sie verhindern, dass dass die Besatzer jemand anderen für diese Tat bestraften.

Sie hatten Glück: Zwar wurden sie beide für diese Tat in Abwesenheit zum Tod verurteilt. Das Urteil erging auf Befehl des Besatzungskommandanten ohne ein zumindest förmliches Gerichtsverfahren. Das war selbst für die damaligen Maßstäbe klares Unrecht. Die Deutschen haben sie aber nicht gefasst. Die Unrechtsstrafe wurde nicht vollstreckt.

Die Folgen des Handstreichs

Die Tat der beiden hat etwas verändert. Jeder in Athen hat gesehen, dass Widerstand möglich war. Das hat vielen Mut gegeben, die ihn sonst nicht gehabt hätten.

Wirklich gedankt hat Griechenland den beiden jungen Männern zunächst nicht, was sie für ihr Land getan haben.

Manolis Glezos

Glezos kam am 9. September 1922 auf Naxos zur Welt. Der Vater starb früh. Die Familie zog nach Athen, als er 12 Jahre alt war. Als der zweite Weltkrieg ausbrach, studierte dort an der Wirtschaftsuniversität.

Manolis Glezos
Manolis Glezos
(Bildquelle: Wikipedia)

Schon vor Ausbruch des 2. Weltkriegs wirkte er an einer antifaschistischen Jugendgruppe mit. Er war gegen den griechischen Diktator und sein Regime, gegen die italienische Herrschaft auf dem Dodekanes und als die Wehrmacht einmarschierte, auch gegen diese.

Nach seiner Tat wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Manolis ist sowohl von den Italienern als auch den Deutschen verhaftet und gefoltert worden. Die Todesstrafe wurde aber nicht vollzogen.

Nach dem Krieg war Glezos Leiter des kommunistischen Zentralorgans Rizospastis (Ριζοσπάστης, deutsch: „Der Radikale“). Am 3. März 1948 hat ein – dieses mal griechisches – Gericht ihn wegen „Pressedelikten“ zum Tode verurteilt. Wegen internationaler Proteste wurde das Urteil nicht vollstreckt, sondern 1950 in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Im Juli 1954 wurde er aus der Haft entlassen.

Am 5. Dezember 1958 ist Glezos erneut verhaftet worden. Dieses Mal erfolgte die Verurteilung wegen Spionage. Auch dieses Mal gab es internationale Proteste. Sie führten am 15. Dezember 1962 zu seiner Freilassung. Auch die Zeit der Militärjunta war für Manolos Glezos mit Haft verbunden. Vier Jahre saß er ein, bis 1971.

Nach Ende des Obristenregimes beteiligte Glezos sich in der PASOK am Wiederaufbau der Demokratie in Griechenland. Er vertrat sie im griechischen Parlament, später auch im Europaparlament. Von der PASOK entfremdete er sich. 2014 zog er für die SYRIZA noch ein zweites Mal ins Europaparlament ein.

Am 30. März 2020 starb er in Athen an Herzversagen.

Apostolos Santas

Der andere der beiden jungen Männer kam am 22. Februar 1922 in Patras zur Welt. 1934 ging seine Familie nach Athen. Als der 2. Weltkrieg ausbrach, studierte er dort Rechtswissenschaften.

Gemeinsam mit Manolis Glezos holte er die Hakenkreuzfahne von der Akropolis. Eine Rückkehr an die Universität war jetzt nicht mehr möglich. Er schloss sich den Partisanen an und kämpfte in den Reihen der ELAS. Nach Ende der Besatzung kehrte er 1944 an die Universität zurück und schloss sein Jurastudium ab.

Seine linken Ansichten hatten sich verfestigt, und dafür wurde Apostolos Santas verfolgt. Er war immer wieder in Haft: Ikaria (bis 1946), Psyttalia (1947) und ab 1948 auf Makronisos. Von dort konnte er fliehen. Er ging über Italien nach Kanada, wo er politisches Asyl erhielt. Apostolos Santas blieb bis 1962 in Kanada. Anschließend kehrte er nach Griechenland zurück.

Späte Anerkennung

Spät, dann aber doch deutlich, hat Griechenland die Leistung der beiden Männer gewürdigt.

Gedenktafel auf der Akropolis für die Tat in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1941
Gedenktafel auf der Akropolis für die Tat am 30. Mai 1941

1982 hat man auf der Akropolis eine Gedenktafel angebracht, die an die Tat der beiden jungen Männer erinnert. Du kannst sie an dem Podest sehen, über dem die griechische Fahne weht.

Hier kann man in griechischer Sprache folgendes lesen: In der Nacht des 30. Mai 1941 rissen die Patrioten Manolis Glezos und Apostolos Santas die Fahne der Nazi-Besatzer vom heiligen Felsen der Akropolis.
Angebracht vom ‚Vereinten nationalen Widerstand 1941–1944‘ im Jahre 1982.

Im November 2008 folgte eine weitere Ehrung. Das griechische Parlament würdigte sie ganz offiziell für ihre Tat und verlieh ihnen die Silbermedaille. Die Griechenland Zeitung zitiert den Parlamentspräsidenten Dimitris Sioufas aus seiner Laudatio mit diesen Worten: Die Nazi-Fahne zu entfernen ist ein Akt der Anstrengung und ein Beispiel dafür, wie Menschen für Freiheit und Demokratie kämpfen“, so Sioufas. „Keine andere Aktion hat es in dem Maße geschafft, während der Besatzungszeit die Moral des griechischen Volkes anzufeuern.

Wahrer Mut zweier Helden

Ich denke, dass der Handstreich in Athen am 30. Mai 1941 eine wirklich mutige Tat zweier Helden war. Beiden waren sich über die Konsequenzen ihrer Handlung absolut im Klaren. Sie hinterließen Beweise, die auf ihre Täterschaft schließen ließen um andere vor Repressionen zu schützen. Davor habe ich sehr großen Respekt. Es gehörte Mut dazu, die Akropolis emporzuklettern und den deutschen Besatzern deren Fahne zu stehlen. Das in Anbetracht der Folge zu tun, dass das eigene Leben danach nicht mehr viel wert sein würde, macht Helden aus den beiden. Apostolis Santas und Manolis Glezos haben etwas geleistet, an das man sich in Griechenland für immer erinnern wird.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

Ein Gedanke zu „Der Handstreich von Athen am 30. Mai 1941

  • Katharina

    Der Tod von Manolis Glezos fiel in die erste Corona-Welle, so dass ihm nur wenige das letzte Geleit geben durften. Sonst wären es Tausende gewesen.

    Antwort

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