Griechenland

Justiz in Griechenland: Korrupt oder Rechtsstaat?

Googelt man die Worte Justiz und Griechenland, so bekommt man zumindest in der deutschen Google Suche Hinweise auf ganz erhebliche Probleme in der griechischen Justiz:

Gewiss: Das hier sind Schlagzeilen aus deutschsprachigen Medien. Und diese bedienen gerne bei der deutschen Leserschaft vorhandene Stereotypen und Vorurteile, um die Leserschaft anzusprechen.

Korruption?

Ich habe das Schlagwort Korruption bewusst als Provokation gewählt.

Um es klar zu sagen: Die meisten Juristen sind nicht korrupt. Das gilt in den meisten Ländern. In Deutschland, Griechenland und anderswo.

Letzten Endes kommt jeder frisch ausgebildete Jurist in irgend ein System, in dem er sein Auskommen finden muss. Wer ehrlich seinen Job macht, wird ganz sicher nicht korrupt.

Aber es ist eine andere Frage, ob das System effizient ist. Ich selbst arbeite bei einem großen Unternehmen in Wiesbaden. Wir hinterfragen unsere Arbeitsabläufe immer wieder danach, ob sie unsere Kunden weiter bringen und ob sie effizient sind. In der öffentlichen Verwaltung in Deutschland gibt es da schon Abstriche. Aber auch da hat es in den letzten Jahrzehnten immer wieder Reformen gegeben mit dem Ziel, für die rechtssuchenden Menschen effizienter zu werden.

An denen fehlte es in Griechenland bisher. Im Gegenteil: das Rechtssystem wurde immer komplizierter ausgestaltet. Über die offiziellen und die tatsächlichen Gründe können wir gerne diskutieren. Aber das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Korruption passiert überall dort, wo die Vorteilsannahme nicht sanktioniert wird. Und ineffiziente Systeme begünstigen den Trend zur Vorteilsannahme. Das gilt nicht nur für Griechenland, sondern überall. Leider machen die Beteiligten daraus dann auch gerne ein Geschäftsmodell. Wer zu seinem Recht kommen will (oder die Rechtsdurchsetzung durch einen anderen verhindern möchte), der lässt einen gefüllten Briefumschlag rüberwachsen. Wer nicht zahlt, kann über Jahrzehnte im Netz der Justiz hängen bleiben.

Ich weiß von Zivilverfahren (wo es um Geldforderungen geht), die sich teils über mehr als 30 Jahre hin ziehen. Mit einem Rechtsstaat hat so etwas nichts mehr zu tun.

Die Justiz in Griechenland

Auch die Menschen in Griechenland empfinden den Zustand der Justiz als eine Belastung.

Die Justiz in Griechenland: Korrupt oder Rechtsstaat?
Die Justiz in Griechenland: Korrupt oder Rechtsstaat?

Es sind nicht nur die Anwälte, Richter und Justizmitarbeiter, die das griechische Rechtssystem ineffizient machen.  Ein – nicht nur in Griechenland – verbreitetes Problem ist, dass vor Gericht viel gelogen wird. Vor einigen Jahren wurde deshalb die griechische Zivilprozessordnung reformiert. Zeugen, die zu einem Sachverhalt vor Gericht aussagen sollen, müssen darüber zuvor eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben. Diese kann vor einem örtlichen Richter, einem Notar oder einem Konsul abgegeben werden. Die gegnerische Partei muss eine Vorladung zu dem Termin bekommen haben, in dem die eidesstattliche Erklärung abgegeben wird. In diesem Termin kann die gegnerische Partei Einwände vorbringen, die ggf. auch im Protokoll über die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vermerkt werden. Bei Nichtbeachtung dieser Formalien wird die eidesstattliche Versicherung ungültig und darf vom Gericht in keiner Weise als Beweismittel berücksichtigt werden. So hat es die Anwältin Eva Kiorpelidou in einem Beitrag auf anwalt.de erklärt.

Da eine falsche eidesstattliche Versicherung auch in Griechenland unter Strafe steht, wollte man die Zeugen wohl durch diese Formalie dazu anhalten, nicht zu lügen. Ob dieses Ziel tatsächlich erreicht werden konnte, vermag ich nicht zu beurteilen, da ich selbst nur wenig Erfahrung mit Zivilprozessen in Griechenland habe.

Aber ich sehe, dass dieses System der Beweiserhebung sehr kompliziert und für alle Beteiligten sehr aufwändig ist. Mit einem so aufwändigen System der Beweiserhebung mögen Anwälte, Richter und Justizmitarbeiter beschäftigt werden. Ein solches Verfahren der eigentlichen Beweiserhebung vorzuschalten trägt aber nicht gerade zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren bei, sondern bringt Verzögerungen mit sich. Aus Sicht des rechtssuchenden Bürgers ist das ein Nachteil.

Initiative der Staatspräsidentin für eine bessere Justiz

Die griechische Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou möchte das Thema angehen und hat deshalb führende Vertreter des griechischen Justizwesen zum Gespräch einbestellt.

Dieses Gespräch fand Montag ab 12 Uhr statt. Katerina Sakellaropoulou ging es vor allem darum, ein Gespräch zur Lösung der Probleme zwischen den maßgeblichen Kräften anzustoßen. Dabei wurde sie aber recht deutlich. Das Portal in.gr hat berichtet, das die griechische Staatspräsidentin gesagt hat:

Wir alle reden von einer zeitgemäßen und effektiven Rechtspflege, und Griechenland läuft diesen magischen Worten seit Jahrzehnten hinterher. Die Richter, die Anwälte, alle. Und natürlich die Gesellschaft, die leidet.
Όλοι συζητούμε για την έγκαιρη και αποτελεσματική απονομή της δικαιοσύνης και η Ελλάδα τρέχει πίσω από αυτές τις μαγικές λέξεις επί δεκαετίες. Οι δικαστές, οι δικηγόροι, οι πάντες. Και βέβαια η κοινωνία που ταλαιπωρείται.

Es ist nicht sehr einfach, aber ich bestehe darauf, dass viel getan werden kann, um diese Pathogenese anzugehen, denn Gerechtigkeit ist ein kollektives Gut, aber ihre Funktionsweise ist etwas, das verbessert werden kann.
Δεν είναι πολύ εύκολο, επιμένω όμως ότι μπορούν πολλά να γίνουν για την αντιμετώπιση αυτής της παθογένειας, γιατί η δικαιοσύνη είναι μεν συλλογικό αγαθό, αλλά η λειτουργία της είναι κάτι που μπορεί να βελτιωθεί.

Wir sehen sukzessive Vorschriften, die die Dinge oft verkomplizieren oder sich zumindest als unzureichend erweisen. Um Lösungen finden zu können, braucht es Schnitte, keine Mikroanpassungen und Pflaster.
Βλέπουμε να εισάγονται ρυθμίσεις αλλεπάλληλες, οι οποίες πολλές φορές περιπλέκουν τα πράγματα ή πάντως αποδεικνύονται ανεπαρκείς. Για να μπορέσει κανείς να βρει λύσεις, χρειάζονται τομές και όχι μικρορρυθμίσεις και μπαλώματα.

Bitte seht mir eventuelle Fehler in der Übersetzung nach.

Das Magazin capital.gr hat seinen Bericht über dieses Treffen auf die Beweggründe von Katerina Sakellaropoulou ausgerichtet, dieses Treffen anzuberaumen. Sie möchte ihr Amt dazu benutzen, die Probleme der Justiz in Griechenland ganz grundsätzlich anzugehen. Ich denke, dass dieses Treffen erst ein erster Schritt sein kann. Es bedarf aber einer Katerina Sakellaropoulou, die mit ihrem unbedingten Willen die Beteiligten dazu bringt, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Kurzfristige Verbesserungen in der griechischen Justiz erwarte ich nicht. Aber ich hoffe, dass sich langfristig etwas verändert.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

5 Gedanken zu „Justiz in Griechenland: Korrupt oder Rechtsstaat?

  • Pingback: Das Amtsgericht Evelpidon in Athen – Hellas Blog

  • Evelyn Dost

    Ich hatte und habe sehr negative Erfahrungen mit der griechischen Justiz. Wir sind mehrere Frauen , Griechinnen und Deutsche , die sich für den Tierschutz ehrenamtlich engagieren und auch Anzeigen wegen Tierquälerei und Tötung durch Gift , machten. Prozesse werden jahrelang verschoben. Man muss um 9 Uhr morgens aufs Gericht (katerini)!dort steht um 14.30 ist die Verhandlung … das Gericht schließt um 15 Uhr …. Um 14 Uhr wird mitgeteilt … die Verhandlung wird erst in 6 Monaten!!! Sein… und das ist nicht nur einmal so😡

    Antwort
    • Hallo Evelyn,

      danke für Deine Ergänzung. Das ist unglaublich.
      Diese Geschichte interessiert mich näher. Ich melde mich bei Dir.

      Antwort
  • Interessanter Beitrag. Leider sehr euphemistisch. Wer, wie ich, lange in Griechenland gelebt hat, weiss aus eigener Erfahrung, dass das System bis in die untersten, privaten Schichten alles andere, als fair oder von Rechtsempfinden geprägt ist. Wer z.B. einen Strafzettel bekommt, geht einfach zu „seinem Politiker“, der die Strafe löscht. Alles geht über Beziehung. Recht ist nicht Recht in GR. Recht bekommt, wer Geld und Kontakte und politisches Gewicht hat.
    Mein Vertrauen in die griechische Justiz ist gleich Null. Als Geschädigter. Da egangiert man einen Rechtsanwalt, um sein Recht wegen Urheberrechtsmißbrauch zu erlangen. Dann stellt sich irgendwann heraus, dass dieser Rechtsanwalt „Wahlbeobachter“ genau bei den Schädigern war… Das tägliche Unrecht in GR schreit zum Himmel… Alleine schon, dass Staatsanwälte Klagen gegen die annahmen, die Menschenleben in der Ägäis retteten, zeigt die moralische Verkommenheit des griechischen Rechtssystems.
    Hoffnung?

    Antwort
    • Hallo Tobias,

      vielen Dank für Deine Erfahrungen. Leider hört man so etwas auch immer wieder von Einheimischen. Mir ist zum Beispiel ein Fall aus Poros bekannt, in dem es um illegale Anbauten von Wirten in einer bestimmten Straße ging. Eine Wirtin musste ihre Anbauten entfernen, da halfen alle Einsprüche und Rechtsmittel nicht. Zwei andere Wirte haben – fast die selben Anbauten – bis heute stehen und damit einen Wettbewerbsvorteil. Sie hat nicht bezahlt…

      Gerade deshalb finde ich die Initiative der griechischen Staatspräsidentin wichtig. Das ist aber nicht die eine Hälfte der Angelegenheit. Die andere ist das Verhalten der Menschen. Wenn die nicht wegschauen sondern solch ein Verhalten öffentlich machen, dann kann sich was ändern.

      Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner