GriechenlandTourismus

Sorge um den Küstenschutz in Griechenland

Neue Vorschriften in Griechenland bereiten den Menschen Sorge um den Küstenschutz. Im März hat der Hellas Blog berichtet, dass es in Griechenland neue und restriktive Vorgaben für Sonnenliegen am Strand gibt. Das Gesetzesvorhaben hat eine Kehrseite. Künftig werden Bauten an Orten legal möglich sein, wo das bisher untersagt war. Ich habe mir das genauer angesehen.

Das Verbrechen von Vlichada

Das Örtchen Vlichada auf Santorin ist bekannt für seinen Strand, die Marina sowie ein Museum, das in einer alten Tomatenfabrik untergebracht worden ist.

Der Strand von Vlichada auf Santorin
Der Strand von Vlichada auf Santorin (2022)

Nicht ohne Grund komme ich hier auf diesen Ort zu sprechen. Nikos Zorzos (Νίκος Ζώρζος), der Bürgermeister von Santorin, wählte 2016 gegenüber der griechischen Tageszeitung Kathimerini wirklich drastische Worte: Was in Vlichada passiert, ist ein Verbrechen.

Worum ging es? Vlichada blieb über Jahrzehnte von der touristischen Entwicklung verschont, die anderswo auf Santorin Realität war. Die Blaue Flagge, die heute am Strand des Ortes weht, zeigt, dass sich da etwas verändert hat. Und das nicht erst seit heute.

August 2015 begannen Bauarbeiten an den Klippen. Es ging darum, ein Höhlenhotel zu errichten, und dazu wurde ein 250 m² großes unterirdisches Gebäude errichtet. Natürlich sollten die Touristen einen Blick auf Strand und See haben, so dass eine vollständig tragende Struktur in den Felsen gezogen werden sollte.

Baugenehmigung? Fehlanzeige. Geologische Untersuchungen? Fehlanzeige. Schutz der geologischen Formationen? Fehlanzeige.

Ob es sich hier wirklich im ein Verbrechen im juristischen Sinne handelt, sei dahingestellt. Eine Schaden für Vlichada ist diese Bauaktivität auf jeden Fall.

Die Handtuchbewegung in Griechenland

Dieses „Verbrechen“ führt zu einem Thema, nämlich der gewerblichen Nutzung der Strände.

Badeurlaub am Strand von Stegna
Badeurlaub am Strand von Stegna
(Foto von Freunden aus Rhodos)

Am 1. März 2024 brachte das Redaktionsnetzwerk Deutschland einen Artikel dazu, dass viele Griechen Angst um ihre Strände haben.

Zuerst brach diese Angst sich Bahn am Strand von Santa Maria (Παραλία Σάντα Μαρια) auf Paros. Ein örtlicher Unternehmer hat den Strand mit Liegen und Sonnenschirmen zugestellt und kassierte von jedem, der sich hier niederlassen wollte, Geld. Das ist nicht nur auf Paros so, sondern fast überall in Griechenland.

In Griechenland sind Strände grundsätzlich öffentlich zugänglich und dürfen von jedermann benutzt werden. Die Einheimischen hatten aber keinen Platz mehr, um sich mit ihren Handtüchern an den Strand zu setzen und ihn zu genießen. Und das ließen sie sich nicht mehr bieten.

Also gingen die Einheimischen mit ihren Handtüchern zum Strand und forderten ihr Recht ein, sich dort niederlassen zu dürfen. Das sprach sich in Griechenland herum und fand viele Nachahmer. Die Handtuchbewegung war geboren.

Und die Handtuchbewegung verschaffte den berechtigten Anliegen der Einheimischen internationale Aufmerksamkeit, wie zahlreiche Presseberichte auch in deutschsprachigen Medien es dokumentieren.

Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis griff nach der im Juni 2023 gewonnenen Wahl durch. Schauten die örtlichen Behörden bislang oft weg, mussten sie jetzt etwas tun. Der politische Druck aus Athen war zu groß.

In Griechenland ist die Sorge um den Küstenschutz völlig berechtigt

Doch wie es so oft in der Politik ist, gibt es nicht das eine ohne im Gegenzug auch etwas anderes zu bekommen. Die in den Medien berichteten Maßnahmen der Regierung klingen nicht gut: Abschaffung der Mindestbreite von Strandzonen, die kommerziell genutzt werden können, Abschaffung der Pachtpflichten von Kommunen, Absenkung des Niveaus des Küstenschutzes in Natura-Gebieten.

Im Februar 2024 berichtete das Portal keeptalkinggreece.com, dass acht Umweltorganisationen daran deutliche Kritik formulieren. Die Möglichkeiten der kommerziellen Nutzung von Stränden werden deutlich ausgeweitet. Zudem fehlen wichtige Bestimmungen zur Anpassung an den Klimawandel.

Der Hellas Blog wird diese Aspekte des Tourismus und der Nutzung von Stränden und anderen Küstenabschnitten im Auge behalten. Auch wenn das Thema keinen Schwerpunkt meines Blog bildet, möchte ich es doch ab und zu aufgreifen. Für Hinweise von Euch Lesern bin ich immer dankbar. Gerne in den Kommentaren zu diesem Beitrag oder per E-Mail an mich. Meine Kontaktdaten stehen im Impressum.

Ziel der neuen Strandgesetze, die daran formulierte Kritik und das Urteil des EuGH von 2020

Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis hat die Ziele der neuen Regelungen für die Strände auf TikTok in einem Video erklärt. Über das, was er sagt, darf kritisch nachgedacht werden.

Das Portal The Frontier Post hat über die in Griechenland für 2024 geltenden Gesetze für Strände berichtet.

Ein Strand auf Korfu am Abend
Ein Strand auf Korfu am Abend

Das verabschiedete Gesetz heißt Küstenentwicklungsgesetz. Den zuständigen Minister für Tourismus, Charis Theocharis (Χάρης Θεοχάρης), zitiert das Portal mit diesen Worten: Wir haben die Pflicht, unsere Strände zu schützen und gleichzeitig die legalen Tourismusunternehmen zu unterstützen, die sich entlang der Küste entwickeln und mit der Umwelt verträglich sind.

Ausdrücklich sagt er, dass die Regierung das Ziel verfolge, die 13.676 Kilometer lange Küstenlinie Griechenlands zu schützen.

Daran haben Umweltorganisationen wie Greenpeace oder der WWF erhebliche Zweifel. Auch die linke Oppositionspartei lässt es an Deutlichkeit nicht fehlen. Sie sagt, das Gesetz bedrohe die Strände und würde sie „privaten Interessen“ überlassen.

Am 17. Dezember 2020 ist Griechenland vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache C-849/19 verurteilt worden. Die Entscheidung liegt in französischer und griechischer Sprache vor. Griechenland ist damals wegen NIcht-Einhaltung der Europäischen Habitat-Richtlinie verurteilt worden. Nach dem, was ich in der Presse gelesen und oben dargestellt habe, halte ich es für möglich, dass es zu einer weiteren Verurteilung der Hellenischen Republik kommt. Leider wird so ein Verfahren dauern, und dass es zum Abriss von nach dem neuen Gesetz möglichen Bebauungen kommt, kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.

Die Morgenpost berichtet, dass die Konzessionen für die Strandnutzung durch lokale Unternehmen künftig über ein transparentes Versteigerungsverfahren vergeben werden sollen. Die Einhaltung der Regeln soll auch mit Hilfe von Drohnen überwacht werden. Ich bin mal gespannt, ob das wirklich so kommt.

Irreführende Berichte in deutschsprachigen Medien

Zum Abschluss möchte ich noch auf zwei Berichte in deutschsprachigen Medien eingehen. Das Schweizer Portal bluewin.ch schreibt, dass Griechenland ein neues Gesetz „gegen Massentourismus“ einführe. Die deutsche Zeitung Der Westen titelt, dass Griechenland ein „irres Verbot“ an Stränden einführe. Reisende müssten um ihr Sonnenbad bangen. Dazu muss man inhaltlich nicht viel sagen. Aber leider bestätigt diese Sichtweise, dass jene, die am Küstenschutz in Griechenland zum Nachteil der Natur arbeiten, dass es im Ausland die Sicht gibt, dass besserer Schutz von Strand und Küste schlecht für das Geschäft ist.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

3 Gedanken zu „Sorge um den Küstenschutz in Griechenland

  • Werner Heyer

    Hallo lieber Roland,
    ja, es gibt wie immer zwei Seiten. Hier nun eine andere davon. Wir sind seit vielen Jahren sehr gern zum Urlaub auf Samos – und da gibt es nun mal vorwiegend nur Steinstrände an den wunderschönen Inselbuchten. Wir hatten uns bisher daher sehr über die dortigen Liegen gefreut, um nicht irgendwie mit einer Decke auf den heissen Steinen liegen zu müssen.
    Die Liegen werden nun ab diesem Jahr wohl nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir werden daher , wenn es wirklich so umgesetzt wird und dort kaum noch Liegen nutzbar sind, mit schweren Herzen überlegen, unseren Urlaub in Zukunft nicht weiter dort zu verbringen.

    Antwort
    • Lieber Werner,

      ich glaube nicht, dass es so kommen wird wie von Dir befürchtet. Was ich erwarte ist ein eher pragmatischer Umgang mit den neuen Vorschriften, praktisch wird sich für die Gäste kaum etwas ändern.

      Antwort
  • Moin Roland, vielen Dank für deinen ausführlichen Artikel.

    GRIECHISCHE VERORDNUNG 2024:

    – Die Möglichkeit, 50 % der Gesamtfläche eines Strandes zu pachten, ist festgelegt, und jetzt 30 %, wenn er in einem Natura-Gebiet liegt und nicht als betrügerisch eingestuft wird, d.h. seine Verpachtung ist verboten.

    – Jedes versteigerte Stück ist bis zu 500 m² groß, von denen nur 60 % mit Sonnenschirmständern belegt werden dürfen, d. h. 300 m². In Natura-Gebieten können nur 30 %, d. h. 150 m², belegt werden.

    – Der Zwischenabstand zwischen den zugewiesenen Flächen beträgt 3 m.

    – Der Abstand der Nutzung von der Welle ist auf 4 m festgelegt.

    – Die Preise werden erhöht, da der Ausgangspreis nun die objektiven Immobilienpreise oder die Mietpreise der angrenzenden Grundstücke berücksichtigt, während er bisher vom Finanzministerium festgelegt wurde.

    – Für förderungswürdige Nachbarunternehmen beträgt der Konzessionspreis den Ausgangspreis plus 20 %.

    – Der Pachtvertrag hat eine Laufzeit von drei Jahren.

    – Problematisch ist die Möglichkeit, dass eine Gemeinde beschließt, einen Strand oder einen Teil eines Strandes frei zu lassen, z. B. die Gemeinde Lipsi.

    – Die Nichteinhaltung der Vereinbarung bedeutet in vielen Fällen die Schließung des Betriebs innerhalb von 48 Stunden und die Verhängung einer entsprechenden Geldstrafe.

    – Von den eingenommenen Beträgen erhält die Immobilien Behördet 40 % und die Gemeinde 60 %.

    7. April 2024, Zarpanews

    https://www.zarpanews.gr/chania-i-nea-aristera-apokoronoy-gia-ton-neo-nomo-peri-aigialon-ti-proteinei/

    Viele Grüße aus Kreta, kv

    Antwort

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