Griechenland

Das Amtsgericht Evelpidon in Athen

Ich möchte Euch zum Amtsgericht Evelpidon in Athen einladen. Bezüglich der griechischen Justiz stellen sich leider immer wieder Menschen die Frage: Korrupt oder Rechtsstaat? Wie sieht das in der Praxis aus?

Die Meinung Betroffener und ein Blick in die Praxis

Die Richter in Griechenland sind sehr gut ausgebildet und fachlich qualifiziert. Ihre Arbeitsbelastung ist hoch, aber mit dem zu vergleichen was auch deutsche Richter leisten müssen. Wie sieht das konkret aus?

Gericht in der Evelpidon – Δικαστήρια Ευελπίδων

Ich habe eine sehr unterschiedliche Resonanz auf meinen Artikel über die griechische Justiz bekommen.

Von einer in Athen lebenden Bekannten bin ich auf deren Amtsgericht (so heißt die 1. Instanz in Zivil- und Strafsachen in Deutschland) aufmerksam gemacht worden. Auf Griechisch heißt das Protodikeio (Πρωτοδικείο), was mit „Gericht erster Instanz“ übersetzt werden kann. Spricht man von den Gerichtsständen in der Evelpidon (Δικαδτήρια Εωελπίδων), dann weiß jeder in Athen, welche Gebäude gemeint sind.

Was muss ein griechischer Richter leisten?

Auf der Homepage des Gerichts erfährt man mehr darüber. Danach bearbeiten 400 Richter am Gericht 1. Instanz von Athen etwa 200.000 Fälle im Jahr. Unterstützt werden sie durch 420 Justizbeamte.

Das bedeutet, dass jeder Richter ein Pensum von 500 Gerichtsverfahren im Jahr zu erledigen hat.

Aktuelle Zahlen aus Deutschland habe ich dazu nicht gefunden. 2004 berichtete die Welt, dass ein Amtsrichter in Zivilsachen etwa 643 Verfahren im Jahr zu bearbeiten hat. Ein Strafrichter muss 445 Verfahren bewältigt in den (rechtlich meist eher einfachen) Bußgeldsachen kommen 830 Verfahren im Jahr zusammen.

Zu den Zahlen aus 2018 hat die Legal Times Online einen Bericht gemacht. In Nordrhein-Westfalen hatten die Strafrichter am Amtsgericht im Durchschnitt 417,6 Fälle im Jahr zu bearbeiten. ie Amtsrichter in Hamburg dagegen nur 289 Fälle im Jahr. In Bremen hatten die Zivilrichter pro Jahr 605,4 Fälle zu bearbeiten, in Sachsen waren es nur 462,7 Fälle.

Die Zahlen des Gerichts erster Instanz in Athen waren nicht näher nach Straf- und Zivilsachen aufgeschlüsselt. Ich meine, dass die Arbeitsbelastung in etwa vergleichbar mit dem Pensum sein dürfte, das deutsche Amtsrichter zu bewältigen haben.

griechischer Gerichtssaal

Ob die Arbeitsbedingungen und die Ausstattung vergleichbar sind, kann ich aus eigener Kenntnis nicht beurteilen. Meine Bekannte hat mir auch Fotos aus den dortigen Gerichtssälen geschickt. Das sieht meiner Meinung nach sehr ordentlich aus.

Die fachlichen Anforderungen an Richter in Griechenland sind hoch. Voraussetzung ist ein Jurastudium. Anschließend arbeiten die jungen Juristen zunächst als Anwalt. Mit einem Mindestalter von 27 Jahren und zwei Jahren Berufspraxis als Anwalt können die Juristen eine Aufnahmeprüfung an der Nationalen griechischen Richterschule (Εθνική Σχολή Δικαστικών Λειτουργών) ablegen. Wenn diese Schule absolviert ist, dürfen die Kandidaten als Richter an einem der staatlichen Gerichte Griechenlands arbeiten.

Wer sich selbst ein Bild von der Arbeit des Gerichts machen möchte, sollte einfach mal hingehen und den Verhandlungen beiwohnen. Wie in Deutschland auch sind Gerichtsverhandlungen in Griechenland grundsätzlich öffentlich.

Was meinen die Bürger über die Leistung des Gerichts?

Interessant ist es aber auch, sich die Rezensionen in Google anzuschauen. Die gibt es auch für das Amtsgericht Evelpidon in Athen. Es liegt in der Natur der Sache, dass es ein Gericht nicht allen an einem Fall beteiligten Parteien Recht machen kann.

Wer unzufrieden ist, wird sich eher negativ in einer Rezension äußern und seinen Frust ablassen als jemand, der schnell und unkompliziert zu seinem Recht gekommen ist. Denn der wird möglicherwiese gar nicht erst auf die Idee kommen, eine Rezension in Google zu schreiben.

Auf einen direkten Link zu den Rezensionen verzichte ich bewusst. Wenn man sich die Lage des Gerichts erster Instanz auf Google Maps anschaut und auf die einzelnen Gerichtsgebäude klickt, sieht man teils recht interessante Rückmeldungen der Bürger über ihre Erfahrungen dort.

Rolands Meinung zu Problemen der griechischen Justiz

Die Justiz in Griechenland hat nicht unbedingt den besten Ruf. Doch woran liegt das?

Die Ausbildung der griechischen Richter ist wirklich gut. Das zu leistende Pensum entspricht dem, was auch Richter bei uns zu schaffen haben. Daran liegt es also. nicht, dass es Probleme gibt.

Ich denke, dass hier zwei Faktoren eine Rolle spielen. Zum einen ist die Verfahrensordnung sehr kompliziert. Eigentlich klare Rechtssachen können unglaublich indie Länge gezogen werden. Zum anderen gibt es Hinweise darauf, dass sich immer wieder Politiker zu Gunsten einer Seite in Verfahren einmischen. Die Verfahrensordnung zu straffen und die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken ist möglich.

Ich habe ein gewisses Vertrauen in die griechische Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou. Sie hat bereits eine Initiative ergriffen, damit Griechenland eine effiziente Justiz bekommt. Mehr kann sie leider nicht tun.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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