Griechenland

Tür auf Deutsch und Fenster auf Griechisch sind verwandt

Dass Deutsch und Griechisch miteinander verwandte Sprachen sind, kann man anhand der Worte für Tür und Fenster sehr schön sehen. Meine These mag sich zunächst merkwürdig anhören. Deshalb nehme ich Euch mit auf eine kleine Reise zu beiden Worten.

Die Tür

Das Wort Tür muss ich in der deutschen Sprache nicht weiter erklären. Es bezeichnet ein bewegliches Bauelement, das eine zum Durchgang bestimmte Öffnung in einer Wand verschließen kann.

Tür in Megalochori
Tür in Megalochori

Es kam bereits im Mittelhochdeutschen als tür(e) vor, im Althochdeutschen lautete das Wort turi. Im Urgermanischen lautete das Wort für Tür vermutlich dur-. Genau weiß man es nicht, da es sich beim Urgermanischen um keine überlieferte, sondern um eine von Wissenschaftlern rekonstruierte Sprache handelt.

Eine bekannte Verwandtschaft haben wir in der englischen Sprache. In ihr ist door das Wort für Tür, welches sich aus dem altenglischen Wort duru entwickelt hat.

Nicht so offenkundig ist die Verwandtschaft zur griechischen Sprache. Im Neugriechischen lautet das Wort für Tür πόρτα (porta). Das haben die heutigen Griechen aus Italien übernommen. Tür bedeutet sowohl im Lateinischen als auch in der italienischen Sprache porta.

Porta war aber nicht immer das in Griechenland gebräuchliche Wort für Tür. Im Altgriechischen sagte man θύρα (thyra), was lautlich schon einmal sehr an unser deutsches Wort Tür erinnert.

Das Fenster

Was aber hat das mit einem Fenster zu tun? Im Griechischen sehr viel.

Tür und Fenster in Akrotiri
Tür und Fenster in Akrotiri

Unser Wort haben wir von den Römern aus deren Sprache übernommen, dem Latein. Dort sagte man fenestra. Dieses Wort fand Eingang in alle romanischen Sprachen. Es wanderte über das altfranzösische Wort fenestre schließlich auch in die deutsche Sprache ein.

Ursprünglich sagten die Germanen vindauga, was mit Windauge übersetzt werden kann. Ein Nachklang auf dieses Wort ist uns in der englischen Sprache erhalten geblieben. Denn daraus hat sich das heutige englische Wort window entwickelt.

Die Griechen aber sind einen ganz anderen Weg gegangen.

Fenster bedeutet auf Neugriechisch παράθυρο (parathyro). Im Altgriechischen lautete das Wort παραθύριον (parathyrion). Das Wortende kennen wir aus dem altgriechischen Wort für Tür. Παράθυρο besteht aus zwei Wortbestandteilen. Vorne steht παρά (para; neben) und hinten steht θύρα (Altgriechisch für Tür). Wörtlich bedeutet parathyro also Neben der Tür, was es in vielen Fällen ja ganz gut trifft.

Die Türen, Fenster und eine Jahrtausende alte gemeinsame Wurzel

Spontan musste ich an eine Tür in Vourliotes denken, die ich Euch im Hellas Blog vorgestellt habe. Die Tür ist erhöht zum Straßenniveau, man kommt nur über zwei Stufen zu ihr. Die Fenster sind rechts und links daneben und fangen auf derselben Höhe an wie der obere aus Glas bestehende Teil der Tür. So oder ähnlich haben Fenster und Türen „schon immer“ ausgesehen.

Eine Tür in Vourliotes
Eine Tür und zwei Fenster in Vourliotes
(Foto: Birgit Bauer)

Als ich das griechische Wort für Fenster gelernt habe, war mein spontaner Gedanke, dass es sehr alt sein muss. Das deutsche Wort Tür und das Altgriechische θύρα klingen einfach zu ähnlich. Wie ich herausgefunden habe, lag ich mit meiner Vermutung richtig. Die Verwandtschaft führt weit zurück, als die griechische und die deutsche Sprache im Indogermanischen noch einen gemeinsamen Vorfahren hatten.

Für die indogermanische Sprache haben die Wissenschaftler *dʰwer- als das wahrscheinliche Wort für Tür herausgefunden. Für mich ist das ein starker Hinweis darauf, dass die gemeinsame sprachliche Wurzel von Tür und θύρα viele tausend Jahre alt sein muss.

Das ist ein starkes Indiz für noch etwas anderes. Wenn sich das Wort für Tür in den indogermanischen Sprachen so lange erhalten hat, dann muss seine Funktion zur Zeit der Indogermanen ganz ähnlich gewesen sein wie in späteren Zeiten. Auch das Wort *dʰwer- wird ein Bauelement bezeichnet haben, mit dem der Durchgang in ein Gebäude verschlossen werden konnte.

Die Max-Planck-Gesellschaft vermutet, dass eine Einwanderungsbewegung aus den eurasischen Steppengebieten nach Mitteleuropa vor etwa 4500 Jahren zur Verbreitung der indogermanischen Sprachen auf unserem Kontinent beigetragen hat. Ich vermute, dass diese Menschen noch viel mehr als nur die Sprache zu uns gebracht haben. Möglicherweise brachten sie auch das Konzept einer Tür mit nach Europa. Und die macht nur Sinn, wenn es Gebäude gibt, die von einer Tür verschlossen werden.

Die Einwanderung dieser Menschen dürfte einen gewaltigen kulturellen Schub für unseren Kontinent gebracht haben. Und Deutsch für Tür und Griechisch für Fenster erzählen heute noch von diesem Ereignis. Man muss nur genau hinhören, was die Worte uns sagen können.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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