Trinkwasserknappheit in Griechenland 2024
Trinkwasserknappheit in Griechenland ist im Sommer 2024 ein heißes Thema in unseren Medien. In einigen Gegenden ist die Lage ernst, besonders auf den Inseln. In den mir bekannten Medien werden gerne der Klimawandel und der Tourismus als Erklärung dafür herangezogen. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht zu erklären.
Zur Klarstellung vorweg: Mir geht es nicht darum, Medienbashing zu betreiben, Griechenland schlecht dastehen zu lassen oder eine Grundsatzdebatte zum Thema Klimawandel zu führen. Mir geht es um ein differenziertes Bild. Das ist vielleicht nicht perfekt, und es ist ganz sicher auch nicht vollständig. Ich gebe die Sachlage wieder, wie ich sie feststelle.
Was berichten die Medien im Sommer 2024 über die Trinkwasserknappheit in Griechenland?
Dieser Sommer war und ist sehr heiß. Einen Beitrag über Hitze und Waldbrände wie im Juli plane ich für August nicht. Leider lodern immer noch viele Feuer. Mein Eindruck ist aber, dass die Feuerbekämpfung in diesem Jahr deutlich effizienter organisiert ist als in der Vergangenheit. Das ist gut. Aber zum verfügbaren Trinkwasser kann man daraus nichts ableiten. Daher habe ich mir mal die Meldungen der deutschen Medien zur Trinkwasserknappheit in Griechenland für den Sommer 2024 durchgesehen.
Schon im Frühjahr waren kritische Meldungen zu lesen. Der Journalist Gerd Höhler hat Anfang April auf reisereporter.de über die wachsende Sorge um die Trinkwasserversorgung auf den Inseln der Ägäis berichtet. Er prognostizierte, dass auf vielen Inseln das Wasser knapp werde. Meerwasserentsalzungsanlagen sollen helfen.
Den Hintergrund des steigenden Wasserbedarf sieht er im Geschäft mit den Touristen, das auf den Inseln läuft. Immer neue Hotels eröffnen und man baut viele Villen mit Pools. Die Zahl der Urlauber steigt von Jahr zu Jahr. Konkrete Zahlen berichtet er für die Kykladeninsel Naxos. Deren Vizebürgermeister berichtet, dass Anfang 2023 noch 1,5 Millionen m³ Wasser in den Reservoirs gewesen sei. Jetzt sind es nur noch 180.000 m³.
Der Wasserverbrauch sei zugleich im Vergleich zum Vorjahr um 28% gestiegen. Immerhin sei jetzt eine Meerwasserentsalzungsanlage in Betrieb gegangen, die 1.000 m³ Trinkwasser am Tag liefere. Höhler zitiert einen Wissenschaftler, wonach das letzte gute Regenjahr 2019 gewesen sei.
Das Beispiel Santorin
Auf Santorin lag der Wasserverbrauch 2020 noch bei 929.000 m³ Wasser. Das war allerdings noch zu Corona-Bedingungen, als der Touristenstrom drastisch eingebrochen war.
Für 2023 nennt Höhler einen Wasserverbrauch von 2,3 Millionen m³. Und der Tourismus hat dabei noch nicht einmal vollständig zum Stand von vor Corona zurückgefunden, zumindest was die Übernachtungsgäste auf der Insel angeht.
Ich denke, dass auf Santorin die Touristen der Kreuzfahrtschiffe ein wirklich ernstes Problem sind, auch was den Wasserverbrauch angeht. Der örtliche Bürgermeister hat Ende Juli 2024 einen Lockdown ausgerufen. Derzeit hat die Insel etwas mehr als 15.000 Einwohner. Pro Tag kommen bis zu 17.000 Gäste von den Kreuzfahrt-Schiffen auf die Insel. Sie essen dort, trinken etwas und kaufen ein. Das alles hat den Verbrauch von Trinkwasser zur Folge, sei es beim Abwasch und dem Putzen in den Restaurants oder beim Reinigen der besuchten Attraktionen.
Auf Santorin habe ich schon gesehen, dass Hotelbesitzer oder Landwirte Brunnen in die Tiefe gebohrt haben. Da es in den letzten 5 Jahren viel weniger geregnet hat als in der Vergangenheit, sind die Grundwasservorräte erschöpft. Das Problem einer Insel auf hoher See ist aber, dass die Hohlräume nicht einfach leer bleiben. Das Wasser aus dem Meer sickert nach, und es ist salzig. Die Grundwasserentnahme führt zu einem Problem, mit dem die Menschen vermutlich nicht gerechnet haben. Es droht die Situation, dass sie ihr Grundwasser verlieren.
Meiner Meinung nach wäre es zwingend erforderlich, für viele Jahre auf die Entnahme von Grundwasser vollständig zu verzichten. Dann aber reicht das Wasser nicht für Gäste und Landwirtschaft. Zudem müssten diejenigen, die heute kostenlos Wasser aus dem Grundwasser entnehmen, das Leitungswasser bezahlen. Auch dazu sehe ich keine Bereitschaft.
Auf Santorin gibt es schon eine sehr leistungsfähige Meerwasserentsalzungsanlage. Die bekommt das Salz aber nicht zu 100% aus den Wasser heraus. Ich finde, dass das Leitungswasser auf der Insel einen leicht salzigen Geschmack hat. Damit ist dieses Wasser für die Landwirtschaft nicht geeignet. Denn es würde die Böden versalzen, wenn man die Pflanzen damit gießt. Zum Duschen oder Waschen ist es aber völlig in Ordnung.
Lakonien und Kreta: Weitere Einschränkungen durch zu wenig Wasser
Im Südosten der Region Lakonien ist die Situation dramatisch.
Auf eigentlich völlig gewohnte Dinge müssen die Menschen verzichten wie z.B. eine Dusche am Strand. Das Foto mit der Dusche hat mir Anfang August eine Bekannte geschickt, die gerade vor Ort ist. Am berühmten Valtaki Beach ist die Dusche abgestellt worden.
Über die Wasserknappheit in der Region berichtete die Seite lakonikos.gr Ende Juli. Konkret geht es um Kyparissi, einen beliebten Ferienort auf der Peloponnes. Normalerweise leben hier um die 400 Menschen. Im Sommer kommen einige tausend Gäste hinzu.
Im Winter hat es dreimal geregnet, seit März gar nicht mehr. Das aus Quellen und Brunnen gewonnene Wasser wird knapp. Im letzten Jahr wurden aus den örtlichen Quellen pro Tag zwischen 150 und 180 m³ Wasser gewonnen. In diesem Jahr sind es zwischen 35 und 40 m³ Wasser am Tag. Die Zahlen sind mehr als eindeutig.
Das trifft nicht nur die Touristen, sondern sehr schlimm auch die Land- und Viehwirte. Die Touristen bekommen ihre Pools noch gefüllt. Aber Oliven leiden unter der Trockenheit, und den Tieren geht es auch nicht gut.
Über die Trockenheit auf Kreta hat der Westen vor kurzem einen Bericht veröffentlicht. Im Sommer ausgetrocknete Flussbetten kennen wir in Griechenland. Inzwischen ist aber selbst in den Hotels das Wasser Mangelware. Es kommt selbst in einigen Hotels nur noch wenig davon aus dem Hahn.
In anderen Hotels füllen sich die Pools weiterhin mit Wasser. Dieser Zustand bleibt natürlich nicht unbemerkt. Und die Menschen fragen sich, weshalb einige nur wenig Wasser bekommen, während andere es im Überfluss haben.
Grundwasser und Trinkwasser in Griechenland
Dass es auch 2024 in Griechenland eine Trinkwasserknappheit gibt, hat Ursachen, die weit über Trockenheit, Touristen und den Klimawandel hinausgehen.
Vorgeschichte: Roland erfährt auf Korfu etwas über die dortigen Trinkwasserleitungen
Ehe ich auf die Lage in Griechenland eingehe, möchte ich eine Geschichte erzählen, die ich vor einigen Jahren auf Korfu erlebt habe.
Da habe ich eine organisierte Rundfahrt über die Insel mitgemacht. Die Reiseführerin war toll. Sie hat uns viel über die Sehenswürdigkeiten erzählt und das wirklich gut. In der Mittagspause kamen wir ins Gespräch. Sie wohnte in Korfu Stadt. Und da berichtete sie mir vom schlechten Trinkwasser in ihrem Viertel. Sie sagte, dass die Wasserleitungen noch aus der Zeit der Engländer stammten und aus Asbest bestünden. Das Wasser käme sehr verunreinigt zu den Menschen. Ich habe mir damals wegen des Asbests Sorgen gemacht.
Später habe ich erfahren, dass Korfu bis 1864 ein britisches Protektorat war. Die Wasserleitungen müssen also älter sein. Und das erklärt dann auch, weshalb das Trinkwasser sehr verunreinigt bei den Abnehmern ankam. So alte Leitungen werden irgendwann marode. Dann dringt Dreck in das Wasser ein. Und Wasser versickert aus der Leitung in den Boden. Beides ist nicht gut, wenn es das Trinkwasser betrifft.
In Teilen des Landes hat Griechenland definitiv eine marode Infrastruktur. Darauf komme ich weiter unten noch zu sprechen. Erst einmal schauen wir uns ein paar Zahlen an.
Griechenland ist weltweit der Spitzenreiter beim Verbrauch von Trinkwasser
Um eine Einschätzung zur Trinkwasserknappheit 2024 vornehmen zu können, habe ich mir den Trinkwasserverbrauch in Griechenland angeschaut. Die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen1 stammen von 2021. Das Bundesamt hat den Trinkwasserverbrauch in allen Ländern der Welt erfasst, soweit es dazu statistisches Material gibt. Und ich war sehr erstaunt zu sehen, dass Griechenland Spitzenreiter ist.
Dies sind die Top 10 der Trinkwasserverbraucher weltweit. Die Zahlen betreffen Kubikmeter (m³). Ein Kubikmeter sind 1000 l. Dies ist der vom Statistischen Bundesamt für 2021 mitgeteilte Stand der Spitzenverbraucher:
- Griechenland: 946,55 m³/Jahr
- Türkei: 761,92 m³/Jahr
- Estland: 746,60 m³/Jahr
- Mexiko: 697,39 m³/Jahr
- Costa Rica: 667,6 m³/Jahr
- Australien: 631,39 m³/Jahr
- Japan: 621,84 m³/Jahr
- Spanien: 621,80 m³/Jahr
- Niederlande: 476,22 m³/Jahr
- Slowenien: 441,5 m³/Jahr
Hier sind Top-Urlaubsländer dabei. Und in den meisten Ländern haben die Anbaubedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse mit der Hitze des Sommers zu kämpfen, was einen hohen Wasserverbrauch in der Landwirtschaft erklärt.
Griechenland liegt beim Jahresverbrauch pro Kopf knapp 200 m³ vor der Türkei als Nr. 2. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Pro Kopf Verbrauch bei 249,32 m³.
Man kann die Meldungen der Medien zur Trinkwasserknappheit in Griechenland für den Sommer 2024 nicht ignorieren. Die Berichte betreffen, was an Wasser für die Endverbraucher verfügbar ist. Und das reicht von vorne bis hinten nicht. Auf den Inseln ist die Situation ganz klar auch noch einmal eine andere als auf dem Festland.
Der Wasserverbrauch ist ein Indiz für marode Wasserleitungen
Nach diesen Zahlen steht fest, dass in Griechenland mehr Wasser auf die Reise durch die Leitungen zu den Menschen geschickt wird als irgendwo anders auf der Welt. Und es kommt nicht so viel an, wie die Menschen gerne hätten.
Das kann ich nur damit erklären, dass mein auf Korfu gewonnener Eindruck wohl auch viel viele andere Orte in Griechenland gilt. Sehr viel Wasser versickert unterwegs. Und das ist nur damit zu erklären, dass sehr viele Leitungen marode sind.
Grundwassermangel in Griechenland
Als nächstes habe ich mich gefragt, wie es mit dem Grundwasser in Griechenland aussieht. Auch hierzu gibt es beim Statistischen Bundesamt Zahlen.2 Diese beziehen sich auf das Jahr 2023 und beziehen sich auf die Länder mit dem höchsten Risiko für einen Grundwassermangel in Europa. Das Bundesamt nutzt die Index-Zahlen des World Resources Institut. Werte zwischen 4 und 5 bedeuten einen „extrem hohen“ Level an Wasserstress im Land. Höher als 5 geht der Index nicht.
Auch hier befindet Griechenland sich in der Spitzengruppe. Die Top 5 sind:
- Zypern: 5
- San Marino: 4,45
- Belgien: 4,41
- Griechenland: 4,34
- Spanien: 3,94
Deutschland taucht in dieser Statistik nicht auf. Das bedeutet nicht, dass die Grundwasserlage bei uns 100%ig in Ordnung wäre. Es bedeutet, dass das Stressniveau in dieser Hinsicht anderswo deutlich schlimmer ist. Allerdings muss man auch sehen, dass die Regenfälle 2023 und 2024 dem Grundwasserniveau hierzulande sehr gut getan haben.
Festzuhalten ist aber auf jeden Fall, dass die Lage in Griechenland in Bezug auf das Grundwasser sehr ernst ist. Trinkwasser wird zumeist Stauseen, fließenden Gewässern oder eben dem Grundwasser entnommen. Gerade im ländlichen Bereich spielt die Nutzung von Brunnen auch heute noch eine große Rolle. Ist das Grundwasser knapp, versiegt diese Quelle.
Rolands Meinung zur Trinkwasserknappheit in Griechenland 2024
Es muss nicht sein, dass das Trinkwasser in Griechenland so knapp ist. Die Zahlen sind eindeutig, was das von den Werken in die Leitungen eingespeiste Wasser angeht. Danach steht den Menschen nirgendwo auf der Welt so viel Trinkwasser zur Verfügung wie in Griechenland.
Die Realität der Menschen ist eine ganz andere. Das Wasser ist knapp.
Zugleich kann es für den sozialen Frieden in einem Land nicht gut sein, wenn die einen Wasser im Überfluss haben und die anderen nicht. Es kann auf die Dauer nicht gut gehen, wenn die Pools der Touristen gefüllt sind, aber die Landwirte nicht genügend Wasser haben. Der Tourismus ist in Griechenland sehr, sehr wichtig. Die Landwirtschaft ist es aber auch. Die Touristen bringen Geld ins Land. Die Landwirte produzieren Lebensmittel, die sich jeder leisten kann.
Ich denke, dass wir das Thema der Trinkwasserknappheit in Griechenland nicht nur 2024 im Auge haben müssen.
Moin, neben dem Klimawandel und dem maroden Wassernetz, sind für mich die Swimmingpools ein großes Problem. So gut wie jede Villa und Hotel/Apartmentanlage hat diese Swimmingpools und vor der Haustür ist das Meer.
Bei vielen Einheimischen fehlt mir oft leider auch ein Bewustsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Resource Wasser, genau wie beim Thema Umweltschutz.
2019 ist bei Le Monde diplomatique ein interesseanter Artikel „Der Lob der Zisterne“ über die Wasserökonomie der griechischen Inseln erschienen.
https://monde-diplomatique.de/shop_content.php?coID=100145
Viele Grüße aus Hamburg, kv