Geschichte

Ein Kantharos mit einem Eselskopf

Im Britischen Museum in London ist ein Trinkgefäß zu sehen, das wie ein Eselskopf geformt ist. Diese Form nennt man einen Kantharos. Dort hat ihn ein Freund im Rahmen der Ausstellung From Persia to Greece im Sommer 2023 gesehen.

Was ist ein Kantharos?

Ein Kantharos (κάνθαρος) ist ein antikes Trinkgefäß, das wie ein Becher geformt ist. Es hat zwei ausschweifende Henkel.

Diese Form eines Trinkgefäßes ist vermutlich in Griechenland entstanden. Sie sind eng mit dem Gott Dionysos (Διόνυσος) verbunden.

In späteren Zeiten sind Kantharoi auch bei Etruskern und Römern beliebt gewesen.

Der Eselskopf im Britischen Museum

Der Kantharos auf dem Foto ist mit einem großen Eselskopf verbunden. Das Gefäß ist bemalt, es handelt sich um eine schwarzfigurige Keramik. Ihre Entstehung wird auf die Zeit zwischen 520 v. Chr. und 500 v. Chr. datiert.

Kantharos in Form eines Eselkopfs
Kantharos in Form eines Eselkopfs
(Foto: Sven Beckendorf)

Die Inventarnummer dieses Bechers im Britischen Museum ist GR 1876.0328.5 (Vase B 378).

Hergestellt wurde der Kantharos vermutlich in Athen. Die Stadt war in der Antike berühmt für die dort hergestellten Keramiken. Dieses Wort für Töpferwaren leitet sich übrigens vom Stadtviertel Kerameikos ab, in dem die Töpfer wohnten.

Es handelt sich um eine Keramik, die aus einem hellen Ton gefertigt ist. Bemalt ist sie mit einer roten Grundierung und schwarzen Figuren. Damit zählt sie zur schwarzfigurigen Keramik.

Die schwarzfigurige Malerei zählt zu den Haupttechniken der antiken Vasenmalerei in Griechenland. Als Höhepunkt dieses Stils in Attika gilt die Zeit zwischen 560 v.Chr. und ca. 520 v. Chr. Dann entstand mit der rotfigurigen Malerei eine neue Mode, die wohl auch in Athen entwickelt wurde. Aufgrund des Alters dieses Eselskopfs, seinem lebensechten Design und den ausgestalteten Details möchte ich ihn zu den ganz hervorragenden Werken seiner Zeit zählen.

Verwendung im Kult des Dionysos

Detail auf dem Kantharos mit Eselskopf: Ein Mann mit erigiertem Penis
Detail auf dem Kopf des Esels
(Foto: Sven Beckendorf)

Ein Detail am Eselskopf verrät mehr über den Grund, aus dem er gefertigt wurde.

Wie oben schon gesagt, steht die Becherform des Kantharos in enger Verbindung mit mit dem Kult um den Gott Dionysos.

Dionysos war als Gott zuständig für mehreres: Wein, Freude, Trauben, Fruchtbarkeit, Wahnsinns und auch die (nicht nur sexuelle) Ekstase. Dem Kult um diesen Gott konnte man einen gewissen Hang zu allem, was man heute verschämt als „Lebensfreude“ umschreiben könnte, nicht absprechen.

Das sehen wir auch an einem Detail auf dem Eselskopf: Hier sehen wir einen Mann mit erigiertem Penis. Der Phallus ist ein Fruchtbarkeitssymbol. Hier verbindet sich also nicht nur der sexuelle Aspekt des Dionysos-Kults mit dem Kantharos, sondern auch der Fruchtbarkeitskult.

Das führt mich zum Ergebnis, dass dieser Kantharos ganz sicher eine kultische Bedeutung hatte. Er war nicht einfach nur ein interessant geformtes Kunststück. Er diente mit Sicherheit zu Handlungen in Zusammenhang mit dem Kult um Dionysos. Dass einst aus diesem Becher auch getrunken wurde, halte ich für sehr wahrscheinlich. Ein solches Kunstobjekt dürfte aber nur ausgewählten Personen zur Benutzung zugänglich gewesen sein, und das auch nur aus besonderem Anlass.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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