Weshalb Kerzen in einer Kirche brennen: betet, bittet, dankt
Viele fragen sich, weshalb Kerzen in einer Kirche brennen. Nicht nur in orthodoxen Kirchen hat man die Möglichkeit, eine Kerze zu nehmen und sie anzuzünden. Selbst Menschen, die mit dem Christentum nichts anfangen können, kennen diesen Brauch.
Ich habe mir vor einiger Zeit die Frage gestellt, wozu das gut sein soll. Heute möchte ich Euch etwas über die Antwort erzählen, die ich für mich dazu gefunden habe.
Als ich das erste mal in einer Kirche eine Kerze genommen und angezündet habe, dachte ich an etwas bestimmtes. Ich habe ein kurzes Gebet gemacht, Gott um seine Unterstützung gebeten und die Kerze dabei entzündet. So ist es auch gedacht. Jede Kerze steht stellvertretend für ein Gebet. Man kann sagen, dass das Gebet weiter geht, auch wenn der Mensch damit schon aufgehört und an etwas anderes gedacht hat. Ich finde das sehr schön und mag diesen Brauch sehr.
Andere Menschen sehen, dass jemand an Gott eine Bitte gerichtet hat. Das ist mir erst später klar geworden. Als dem so war, bin ich in eine Kirche gegangen und habe eine Kerze entzündet. Dabei habe ich Gott gebeten, die Gebete der anderen Menschen zu erhören und ihnen zu helfen. Wer diese Menschen waren und was ihr Anliegen war, das wusste ich nicht. Aber ich war dankbar, dass mir die Funktion dieses Brauchs klar wurde und dass diese Tradition auch heute noch eine sehr wichtige Bedeutung hat.
Hatte ich zuvor Gebet und Bitte als Funktion dieses Brauchs bereits herausgefunden, kam ich nun zum dritten Aspekt: Der Dank.
Man kann sich bei Gott auch für etwas bedanken, das passiert ist. Um was es geht, ist völlig egal. In meinem Dank ging es darum, dass ich verstanden habe, was das Anzünden der Kerzen bedeutet. Aber auch die Genesung von einer Krankheit, das Wiedersehen mit einem Freund nach sehr langer Zeit oder das Bestehen einer Prüfung können gute Gründe sein, Gott dafür zu danken.
Der Brauch, ein Licht aus religiösen Beweggründen anzuzünden, ist übrigens deutlich älter als das Christentum. Die frühen Christen haben ihn übernommen. Es gibt regelrechte Lichterprozessionen, zum Beispiel zum Fest Mariä Lichtmess. Die sind schon seit dem 7. Jahrhundert nach Christus überliefert. Für die Christen war das auch naheliegend, denn Jesus selbst hat sich als das Licht der Welt bezeichnet. Dann kann man auch Lichter in die Verehrung Gottes einbeziehen.
Eine überaus große Bedeutung hat das Entzünden von Lichtern in der Osternacht. Karfreitag – der Tag der Kreuzigung Christi – ist der meiner Meinung nach dramatischste Feiertag in der christlichen Religion. Immerhin wurde Gottes Sohn hingerichtet, gewissermaßen ging das Licht aus. Aber am dritten Tag, zu Ostern, ist er auferstanden. Es ist ein sehr alter christlicher Brauch, in der Osternacht Licht in eine Kirche zu tragen und dort Kerzen zu entzünden. Auch bei der Taufe ist es eine alte Sitte, eine Taufkerze zu entzünden. Wie das Licht in der Osternacht für das Wunder von Jesu Leben steht, steht die Taufkerze für das Wunder eines neuen, kleinen Menschenlebens. Es gibt auch viele andere Anlässe, aus denen Christen Kerzen anzünden.
So hochtrabend muss das nicht immer sein. Auch wenn Du kein Christ sein solltest, schadet es nichts, wenn Du in einer Kirche eine Kerze entzündest und an etwas Schönes denkst. Wer weiß, vielleicht geht es für Dich in Erfüllung.