Geschichte

Das Holocaust Memorial in Thessaloniki

An der Uferpromenade von Thessaloniki steht ein Denkmal, das an die im Holocaust ermordeten Juden der Stadt erinnert. Die Menschen benutzen das englische Wort memorial, mit der Bezeichnung Holocaust Memorial weiß jeder in Thessaloniki, was gemeint ist.

Wo steht das Holocaust Memorial? Was bedeutet es?

Holocaust Memorial Thessaloniki
Holocaust Memorial Thessaloniki
(Foto: Maria Laftsidis-Krüger)

Das Denkmal steht am Freiheitsplatz, direkt am Meer.

Die Skulptur ist 1997 errichtet worden.

Die sieben Spitzen oben stehen für den siebenarmigen Leuchter, die Menora. Weiter stehen die Elemente des Denkmals für menschliche Körper und für Flammen. Auf diese Weise erinnert das Holocaust Memorial an die grausame Vernichtung der jüdischen Menschen aus Thessaloniki.

Der Standort am Freiheitsplatz ist nicht zufällig gewählt.

Thessaloniki war von der deutschen Wehrmacht besetzt worden. Die Besatzer begannen 1942 damit, die „Nürnberger Gesetze“ umzusetzen. Alle jüdischen Männer mussten sich auf dem Freiheitsplatz melden. Hier wurden sie öffentlich gedemütigt und misshandelt und anschließend zu Zwangsarbeit gezwungen. 

Damit begann der Leidensweg der jüdischen Menschen von Thessaloniki. Er sollte in der Shoah münden.

Die Geschichte der Juden in Thessaloniki

Die jüdische Geschichte der Stadt ist sehr alt. Um 140 v. Chr. kamen die ersten von ihnen in die Stadt. Um 50 n.Chr. predigte der Apostel Paulus in der Synagoge Etz Achaim, die immerhin bis zum großen Brand der Stadt im Jahr 1917 bestand. Über ihre Geschichte in römischer und byzantinischer Zeit ist nur wenig bekannt. Im 12. Jahrhundert lebten um die 500 Juden in Thessaloniki, sie bekamen noch in byzantinischer Zeit Verstärkung von jüdischen Zuwanderern aus Ungarn, der Provence und der iberischen Halbinsel. Nach der Eroberung durch die Osmanen gab es zunächst keine Juden mehr in Thessaloniki. Vermutlich mussten sie die Stadt in Richtung Konstantinopel verlassen.

Die Situation änderte sich 1492. Die Juden wurden aus Spanien vertrieben. Sultan Bayezid II erlaubte ihnen, sich in Thessaloniki anzusiedeln. Das hatte einen gewaltigen Zuzug von Menschen zur Folge, 1520 bestand die Hälfte der Bevölkerung aus Juden.

Thessaloniki entwickelte sich zum Jerusalem des Balkans. Das blieb auch so, als die Stadt 1912 zu Griechenland kam. Zu dieser Zeit lebten etwa 80.000 Juden in Saloniki. Durch den Brand von 1917 wurden viele obdachlos und verarmten. Dies und andere Umstände erzeugten nicht nur unter den Juden einen Auswanderungsdruck. Viele Einwohner von Saloniki gingen in die USA, unter den Juden gab es auch eine Auswanderung nach Palästina. 1940 lebten in Thessaloniki noch ungefähr 50.000 Juden.

Die Juden von Thessaloniki und der Holocaust

Zur Katastrophe kam es, als Griechenland 1941 in den zweiten Weltkrieg hineingezogen wurde. Im Mai 1941 begann nicht nur die deutsche Besatzung von Thessaloniki. Die Besatzer begannen unmittelbar damit, die jüdische Gemeinde zu entrechten und finanziell auszupressen. Die Katastrophe kulminierte am Morgen des 15. März 1943, als der erste Deportationszug nach Auschwitz abfuhr. Aus Thessaloniki gingen die längsten Deportationszüge nach Auschwitz überhaupt. Ein grausames Detail: Die Juden waren gezwungen, ihr Ticket für die Fahrt selbst zu bezahlen.

Von den über 50.000 ins KZ verschleppten Menschen haben keine 2.000 den Holocaust überlebt. Die Geschichten dieser Überlebenden sind unglaublich. Einer von ihnen war Jaques Stroumsa, dessen Geschichte ich im Hellas Blog vorgestellt habe.

An die vielen in der Shoah ermordeten und entrechteten Juden der Stadt erinnert heute ein Denkmal, das an der Pl. Eleftherias, die am Leoforos Nikis (Λεωφόρος Νίκης) liegt. Es ist nur wenige Minuten zu Fuß vom Aristoteles Platz entfernt. Wenn Du in der Stadt bist, solltest Du an diesem Denkmal einmal vorbeigehen.

Bist Du neugierig auf weitere Informationen über die Geschichte der Juden in dieser Stadt? Dann besuch doch das Jüdische Museum von Thessaloniki (Εβραϊκό Μουσείο Θεσσαλονίκης). Es liegt in der Agia Mina 11, mehr erfährst Du auf der Homepage des Museums.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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