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Reisführer Griechenland von Brian de Jongh

Heute möchte ich Euch den Reiseführer Griechenland von Brian den Jongh vorstellen. Ich habe die vierte Auflage von 1985, die nur noch antiquarisch zu erhalten ist.

Brian de Jongh - Griechenland
Brian de Jongh – Griechenland

Auf dem Markt gibt es viele und tolle Reiseführer für Griechenland. Einige Reiseführer habe ich auch schon im Hellas Blog vorgestellt. Die Leser wollen vor allem Bücher mit schönen Bildern und Karten, aktuellen Tipps und Hilfen für Deinen Urlaub in Griechenland. All das findest Du in diesem Buch nicht. Aktuelle Tipps sind entweder total veraltet oder fehlen wirklich.

Was Du hier findest, sind Hintergrundinformationen zu den Sehenswürdigkeiten, die in Griechenland auf Dich warten. Dieses Buch ist daher nur etwas für Leute, die gerne und viel lesen und sich vor allem auch vertieft mit der Geschichte des Landes beschäftigen wollen.

Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen, die ich aus den von mir sehr geschätzten Reiseführern Baedeker Griechenland und DK Reiseführer Griechenland – Athen & Festland ziehe.

Athen: Baedeker vs. Brian de Jongh

Beide Bücher verfolgen ganz unterschiedliche Ansätze, um über Athen zu schreiben. Brian De Jongh hat nicht wirklich einen Reiseführer geschrieben, der Baedeker ist einer. Das merkt man schon an der Art, wie die Kapitel zu Athen in beiden Büchern beginnen.

Im Baedeker Griechenland bekommt Athen mit 46 Seiten von 578 Seiten sehr viel Raum. Das sind knapp 8%. Bei Brian de Jongh sind es – wenn ich mich nicht verzählt habe, 87 von 886 Seiten. Das sind knapp 10%. Schon an den Einleitungen bemerkt man den gewaltigen Unterschied zwischen beiden Büchern.

Brian de Jongh nimmt uns mit in das Griechenland von 1809. Lord Byron kommt über Fyli nach Athen und erblickt ein Dorf mit Minaretten der Moscheen, den Kuppeln byzantinischer Kirchen und anderem. Dann springt De Jongh in das Jahr 1971 und schreibt: Jenes Bild hat sich völlig verändert. Dabei spricht er von etwa 2 Millionen Menschen, die jetzt hier leben. Auf der ersten Seite zu Athen macht De Jongh dem Leser deutlich, worum es bei ihm geht: Wir aber suchen nicht die moderne Großstadt, sondern wenden uns den archäologischen Stätten zu, den mehr oder weniger zerstörten Bauten der klassischen, hellenistischen und römischen Zeit.1 Und mit dieser Einleitung nimmt er den Leser mit auf die Akropolis.

Ganz anders macht es Klaus Bötig im Baedeker Griechenland. Er verbindet Geschichte und heutige Zeit mit diesen Worten: Athen bewältigt den Spagat zwischen zwei Welten wie kaum eine andere Stadt: Da ist das Athen, das als Wiege der Demokratie stolz auf eine 5000 Jahre währende Geschichte zurückblickt… Da ist aber auch die vibrierende, ja hektische und bisweilen staubige Metropole…2

Baedeker und De Jongh über Antike Sehenswürdigkeiten in Athen

Brian De Jongh widmet der Akropolis, dem darunter liegenden Gelände), dem (alten!) Akropolis-Museum und dem Musenhügel stolze 38 Seiten, die hauptsächlich aus Text bestehen. Das ist nicht für jeden etwas. Der Baedeker kommt hier mit 14 Seiten hin. Und ganz ehrlich: mehr brauchst Du vor Ort auch nicht.

Du erfährst im Buch von Brian De Jongh einige Details, die ich in modernen Reiseführern so nicht finde. Zum Kerameikos schreibt Brian De Jongh, dass die private Grabkunst im 6. Jahrhundert vor Christus durch Gesetze stark eingeschränkt worden sei, im „fortgeschrittenen 5. Jahrhundert“ lebte sie aber wieder auf. In den Jahren nach 338 v.Chr. sind viele Gräber zerstört worden, um Baumaterialen zu gewinnen.3 Das erfahre ich im Baedeker nicht. Dort aber lese ich von den Gräbern der 30 spartanischen Offiziere, die 403 v.Chr. im Kampf gegen die 30 Tyrannen von Athen den Tod fanden.4 Das ist eine wirklich fantastische Geschichte, die ich an dieser Stelle aber nicht vertiefen möchte. Ich zeige das nur um deutlich zu machen, dass es im Baedeker auch viele Informationen gibt, die Du bei Brian De Jongh nicht finden wirst.

Brian de Jongh und der DK Reiseführer Griechenland

Ganz kurz möchte ich noch auf den DK Reiseführer Griechenland – Athen & Festland eingehen. Hier mache ich einen Sprung nach Mykene.

Das Löwentor in Mykene
Das Löwentor in Mykene

Der DK Reiseführer behandelt die Metropole der Bronzezeit auf sechs Seiten, wobei zwei Seiten dem Trojanischen Krieg gewidmet sind.5 Der Leser bekommt viel Bildmaterial, vor allem eine fantastische Zeichnung der Stadt, wie sie in ihrer Blütezeit ausgesehen hat. Die vier Seiten über Mykene sind sehr anschaulich. Wenn man ehrlich ist, sind darin aber nur wenige Sachinformationen enthalten.

Die Darstellung bei Brian De Jongh6 ist da eine ganz andere Hausnummer. Über etwas mehr als 17 Seiten erfährt der Leser alles, was es zu den Ruinen in und vor Mykene zu wissen gibt. So beschreibt er zum Beispiel das Löwentor als Europas älteste Monumentalplastik, die bis in die heutige Zeit erhalten geblieben ist. Hier trugen die die Tragödien von Agamemnon und seiner Familie zu. Bei der Lektüre von de Jongh erfährt man von den hier spielenden Tragödien Agamemnon (Aischylos) und Elektra (Sophokles). Immerhin erwähnt der DK Reiseführer den Fluch der Atriden kurz,7 baut da aber einen Fehler (nicht Agamemnons Vater, sondern sein Großvater Tantalos beging den Frevel, der zum auf der Familie lastenden Fluch führte) ein. Solche inhaltlichen Fehler finde ich bei Brian de Jongh nicht. Ganz im Gegenteil. Man merkt dem Autoren an, dass er eine gute akademische Ausbildung hatte und dass sehr sorgsam und gründlich recherchiert.

Mir passieren selbst Fehler, daher bin ich mit offener Kritik recht vorsichtig. Das Buch zu Griechenland von Brian de Jongh fasst den Stand der Wissenschaft zusammen. Und der Autor versteht es, die Sache anschaulich zu schildern. Wer allerdings besser über Bilder in die Vergangenheit eintauchen kann und von zu viel Text überfordert ist, der sollte auf modernere Literatur zurückgreifen. Das wird aus dem Vergleich der beiden Bücher wirklich deutlich.

Über Buch und Autor

Dieser Reiseführer zu Griechenland stammt von Brian de Jongh. Mit vollem Namen hieß er Percy Brian de Jongh, nutzte den ersten Namen aber nicht. Der britische Schriftsteller kam am 21.04.1912 in London zur Welt, wo er am 21.09.1977 starb. Er lebte lange in Athen. Während des 2. Weltkriegs diente er beim Geheimdienst des britischen Militärs. Dies verrät die Familie auf der Seite levantineheritage.com (Seite 30 oben).

Aus seiner Feder stammen einige Reiseführer über Griechenland, und an einigen weiteren hat er Büchern mitgewirkt.

Die erste Auflage ist 1972 erschienen. Die letzte mir bekannte Auflage in Deutschland ist die vierte Auflage von 1985, die Du auch auf dem Bild zu diesem Beitrag sehen kannst. Die ISBN lautet 3-7913-0536-0.

Erscheinen ist das Buch im Prestel Verlag aus München, der mittlerweile zur Random House Gruppe gehört. Dies ist die heutige Webpräsenz von Prestel.

Der Umfang des Buches beträgt stolze 886 Seiten auf Dünndruckpapier. Vier Seiten sind Inhaltsverzeichnis, 5 Seiten sind Einleitung und ab Seite 842 bietet der Autor uns einen ausführlichen Anhang. Alleine das Register hat 27 Seiten. Welcher Reiseführer von heute kann etwas ähnliches bieten?

Das Buch bekommst Du noch antiquarisch. Es gibt auf Marktplätzen für gebrauchte Bücher immer wieder Angebote für weniger als 10 Euro. Ich denke, in einem Antiquariat solltest Du für ein gebrauchtes Exemplar der Ausgabe von 1985 in gutem Zustand maximal 15 Euro zahlen müssen.

Vom Kauf der ersten und zweiten Auflage rate ich ab. Brian de Jongh hat in seinem Griechenland zur dritten Auflage umfangreiche Überarbeitungen eingepflegt, die Du kennen solltest.

Rolands Meinung zu Griechenland von Brian De Jongh

Wenn Du dieses Buch nicht hast, sondern einen der von mir zum Vergleich herangezogenen Reiseführer für Griechenland, dann wirst Du trotzdem einen tollen Urlaub in Athen, Mykene und anderen Orten in Griechenland haben und wahrscheinlich mehr Informationen bekommen, als Du Dir in dieser Zeit merken kannst. Was bei Brian De Jongh steht, ist nicht falsch. Aber es ist zu einem guten Teil eben auch auf dem Informationsstand der 1970er Jahre, und seit dem hat man doch vieles entdeckt.

Das Buch von Brian De Jongh ist geeignet, um Dich auf diese Reise vorzubereiten. Das aber geht in einer historischen Tiefe, die moderne Reiseführer nicht bieten können. Und da will ich auch ehrlich sein: Vermutlich ist das, was dieses Buch bietet, für die meisten Griechenland-Reisenden schlicht und ergreifend zu viel.

Dieses Buch ist nur dann etwas für Dich, wenn Du eine fundierte Einführung in das historische Griechenland haben möchtest. Du erfährst sehr viel über den Hintergrund der Sehenswürdigkeiten, die Du Dir anschauen kannst. Geht es Dir darum, Dich auf eine Reise nach Griechen vorzubereiten und benötigst Du dazu einige praktische Tipps, dann ist dieses Buch nichts für Dich.

Anmerkungen

Soweit ich aus den genannten Büchern zitiere, sind hier die Fußnoten mit den Fundstellen:

  1. beide Zitate: Brian De Jongh, Griechenland, Seite 16. ↩︎
  2. Klaus Bötig, Baedeker Griechenland, Seite 56 ↩︎
  3. Brian De Jongh a.a.O., Seite 78. ↩︎
  4. Klaus Bötig a.a.O, Seite 80. ↩︎
  5. Amber Charmei/Jane Foster, DK Reiseführer Griechenland (Athen & Festland), Seite 160 ff. ↩︎
  6. Brian De Jongh a.a.O., Seite 179 ff. ↩︎
  7. Amber Charmei/Jane Foster a.a.O., Seite 160 unten links. ↩︎

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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