Geschichte

Der Löwendolch von Mykene im Archäologischen Nationalmuseum Athen

Bei seinen Ausgrabungen in Mykene hat Heinrich Schliemann einen Dolch gefunden, den man Löwendolch nennt. Er zeigt die Szene einer Löwenjagd. Du siehst ihn im Archäologischen Nationalmuseum in Athen.

Was ist auf dem Löwendolch zu sehen?

Der Löwendolch zeigt eine Szene, in der eine Gruppe Jäger drei Löwen jagen will. Einer der Löwen wehrt die Menschen ab, zwei weitere fliehen.

Löwendolch von Mykene
Löwendolch

Kommen wir zunächst zu den Jägern. Ich bespreche sie in Leserichtung: von links nach rechts. Wenn Du in Athen bist, geh ins Archäologische Nationalmuseum uns schau Dir den Löwendolch aus Mykene an. Was Du hier siehst, ist besser als jeder Blockbuster im Kino. Denn es ist echt.

Die Jäger auf dem Löwendolch von Mykene
Die Jäger auf dem Löwendolch

Ich sehe hier fünf Figuren, die auf die Löwen ansetzen. Es sind vom Körperbau und der Kleidung her alles Männer, die auf Jagd gehen.

Die Figur ganz links setzt dazu an, einen langen Jagdspeer zu werfen. Sie ist bekleidet mit einer Hose und etwas, das wie ein wallender Mantel aussieht.

Die zweite Figur hält einen Bogen in der Hand. Wir sehen sie in einer knieenden, und doch gespannten Körperhaltung. Der Bogen ist gespannt, der Jäger setzt ganz offensichtlich zum Schuss an.

Die Figur in der Mitte ist wie die erste gekleidet und setzt zum Wurf mit dem Speer an. Hinter ihr ist etwas in eckiger Form zu sehen.

Ein Löwe tötet einen Jäger
Ein Löwe tötet einen Jäger

Der nächste Jäger (2. von rechts) ist offenbar identisch bewaffnet wie die 1. Figur links. Nur schützt der Mantel ihn von vorne.

Die fünfte Figur schließlich (ganz rechts) liegt auf dem Boden. Neben diesem Jäger steht noch ein Objekt ähnlich dem, das wir auch bei der Figur in der Mitte sehen.

Der Dolch wurde wahrscheinlich nie zum Kampf genutzt, sondern es diente mehr dekorativen oder kultischen Zwecken. Er selbst ist aus Bronze, neben Gold sind noch Silber und Elektron verarbeitet. Dieser Zierdolch wird in das 16. Jahrhundert vor Christus datiert. Ihr könnt ihn im Archäologischen Nationalmuseum in Athen sehen, die Inventarnummer ist 394.

Woher stammt der Dolch?

Der Dolch stammt aus dem Schachtgrab IV in Mykene. Es gehört zur Gräberrunde A, die Heinrich Schliemann 1878 in Mykene entdeckt und ausgegraben hat.

Einige Details: Auf dem Schild eines Jägers sehe ich Muster, die an ein Rinderfell erinnern. Die drei dunklen Flächen auf dem zweiten Schild links vom Löwen sind etwas dunkler als das Schwert. Hier wurde mit Farbeffekten gearbeitet, um das Gezeigte lebendig zu machen. Gewänder, Bewaffnung und auch der Löwe sind mit feinen Linien ausgearbeitet.

Dass die Löwenjagd für die Jäger mit großen Risiken verbunden war, sieht man vor dem Löwen. Dort liegt ein Jäger, der dem Löwen zum Opfer gefallen ist. Die Jäger arbeiten mit Lanzen, die das Tier auf Distanz halten.

Bis in die Antike lebten Löwen in Griechenland und dem südlichen Balkan. Die letzte mir bekannte Erwähnung gibt es bei Pausanias im 2. Jahrhundert n.Chr. Er gab allerdings an, dass die Löwen im Gebirge lebten. Das passt nicht zu ihrem natürlichen Lebensraum. Sicher ist allerdings, dass es zur Zeit der Entstehung dieses Dolchs in Griechenland noch Löwen gab.

Was ist über den Löwendolch noch zu sagen?

Die Einlegearbeiten aus Gold, die wir auf dem Dolch sehen, sind ein sehr beeindruckendes Beispiel der Handwerkskunst aus der Bronzezeit.

Mich beeindruckt, wie fein die Einlegearbeiten ausgeführt sind. Die Szene wirkt auf mich lebendig, der Handwerker war ein echter Meister. Dieser Dolch ist sicherlich eines der schönsten Artefakte, die Heinrich Schliemann bei seinen Ausgrabungen in Mykene gefunden hat.

Darstellung der Löwen auf dem Löwendolch von Mykene
Darstellung der Löwen auf dem Löwendolch von Mykene

Der Löwendolch besteht aus Bronze. Er ist 23,7 cm lang und 6,3 cm breit.

Hier besprochen habe ich die Seite des Löwendolchs, die dem Besucher gezeigt wird. Er ist allerdings von beiden Seiten verziert. Auf der anderen Seite sieht man einen Löwen in freier Natur. Vor felsigem Terrain jagt er eine Gruppe von Antilopen.

Am Dolch sind keine Gebrauchsspuren festgestellt worden. Wäre er im Kampf oder beim Ausweisen eines Tieres verwendet worden, hätte dieser Gebrauch auf den bildlichen Darstellungen Spuren hinterlassen. Wenn dieser Dolch je verwendet wurde, dann wohl nur symbolisch und bei feierlichen Anlässen.

In der griechischen Bronzezeit symbolisierte der Löwe eine große Stärke. Damit war ein Dolch, der mit einem Löwen verziert war, eine würdige Gabe für einen anerkannten und tapferen Krieger. Da der Löwendolch von Mykene in einem Grab gefunden wurde, darf man annehmen, dass diese Grabbeigabe zwei Funktionen hatte. Zum einen einem sollte der Dolch Zeugnis ablegen von der großen Kraft und Tapferkeit des Verstorbenen. Und zum anderen zollten die Hinterbliebenen dem Toten Respekt, indem sie ihm einen so wertvollen Gegenstand mit ins Grab legten.

Waffenfunde in den Schachtgräbern von Mykene

Man hat in den mykenischen Schachtgräbern viele Waffen gefunden. Daraus kann man schließen, dass die Kultur der Mykener kriegerisch geprägt gewesen sein muss. Schau Dir den Löwendolch und andere Funde aus Mykene im Archäologischen Nationalmuseum von Athen an.

Gräberrund A in Mykene
Im Gräberrund A von Mykene befanden sich mehrere Schachtgräber

Aus den bronzezeitlichen Festungsbauten in Griechenland kann man gut nachvollziehen, dass die Mykener viel in die Entwicklung ihrer militärischen Infrastruktur investiert haben müssen. Das galt natürlich auch für die Herstellung von Waffen. Ein Dolch wie dieser ist in gewisser Hinsicht „nur“ das Tüpfelchen auf dem I.

Gleichzeitig ist dieser Dolch aber auch ein Zeichen sehr weitreichender Handelsbeziehungen. Er ist aus Bronze gefertigt, einer Legierung von Kuper und Zinn. Das Kuper stammte vermutlich aus Zypern, das Zinn aus Zentralasien. Gold bezog man aus Ägypten, Anatolien oder nördlich gelegenen Regionen Europas. Genau habe ich das für diesen Dolch nicht herausfinden können.

Damit beweist der Dolch jedenfalls auch, dass Mykene recht weitgehende Handelsbeziehungen zu fernen Ländern unterhielt. Ähnliches ist auch von Santorin bekannt, wo ein Fresko mit Affen ein starkes Indiz dafür ist, dass es in der Bronzezeit Handelsbeziehungen bis nach Indien gegeben haben muss.

Dieser Dolch beweist meiner Meinung nach deshalb auch die weitgehenden internationalen Beziehungen zwischen verschiedenen Kulturzentren, die es bereits in der Bronzezeit gegeben haben muss. Wäre es anders, würde es diesen Dolch nicht geben.

Du siehst den Löwendolch von Mykene heute im Archäologischen Nationalmuseum in Athen. Schau ihn Dir an, wenn Du dort bist.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

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