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Wolfgang Tolk: Fisch mit Heraklit

Ich habe gerade den Roman „Fisch mit Heraklit“ von Wolfgang Tolk beendet und möchte ihn Euch gerne vorstellen. Er spielt sowohl in Deutschland als auch in Griechenland,

Worum geht es bei „Fisch mit Heraklit“?

Wolfgang Tolk nimmt uns mit auf eine spannende Reise, die der Protagonist Leo Ernst erlebt. Leo ist Professor für Design in Berlin, lebt dort und hat auch in Griechenland ein Haus. Das liegt auf der Peleponnes im Ort Trikorfo.

Wolfgang Tolk: Fisch mit Heraklit
Wolfgang Tolk:
Fisch mit Heraklit

Leo hat in seinem Leben einiges durchmachen müssen. Er war verheiratet, seine Frau kennen wir nur unter dem Kürzel B.M. Mit ihr hat er zwei Kinder, Katharina und Kristopher. Ob B.M. tot oder einfach nur verschollen ist, bleibt im Roman offen. Leo hat an den entscheidenden Zeitraum keine Erinnerung, was ihn sehr belastet. Über Katharina erfahren wir, dass sie ihren Vater für den Tod der Mutter verantwortlich macht. Der Kontakt ist abgebrochen, worunter Leo leidet. Er selbst hat sich inzwischen auf eine neue Beziehung eingelassen, mit Elea.

Man muss noch wissen, dass Leo Ernst ein Träumer ist. In seinen Gedanken interagiert er mit Gestalten aus der griechischen Mythologie und mit historischen Persönlichkeiten, die in der Antike gelebt haben. Ein geräumtes Gespräch mit Heraklit gab dem Roman denn auch seinen Namen.

Leo gelingt es nicht immer, Realität und Vorstellung auseinander zu halten. Aber das macht nichts.

Dies vorausgeschickt beginnt die Reise, auf der wir Leser den Protagonisten Leo Ernst begleiten.

Nora

Eines Tages klingelt bei Leo Ernst das Telefon. Es meldet sich Nora, die sich als Katharinas Tochter vorstellt. Beide verstehen sich, und Leo lädt seine Enkelin zu sich nach Berlin ein. Kurze Zeit später ist sie da. Beide kommen sich sehr nahe und beschließen, gemeinsam nach Griechenland zu fahren. Über Venedig geht es nach Trikorfo, von wo aus sie Ausflüge unternehmen. Sie besuchen sowohl Delfi als auch Epidauros.

Die Dialoge zwischen Nora und Leo Ernst sind eine zärtliche Annäherung zwischen Enkelin und Großvater. Sie nennt ihn liebevoll ihren Pappous; sie nutzt das griechische Wort für Großvater um ihn anzusprechen. Manchmal kommt bei ihm der Professor auch durch. Er doziert mehr als dass er mit Nora auf Augenhöhe spricht.

Delphi und die Klippen bei Trikorfo

Für mich ist das Highlight des Buches der Besuch in Delphi. „Hurra, ich bin in Delphi“ lässt Wolfgang Tolk Nora vor Freude darüber ausbrechen, dass sie das Zentrum der Welt erreicht hat. Für mich liegt in diesem Kapitel auch der Schlüssel zum Verständnis des Romans.

Leo Ernst kauft am Einlass einen kleinen Führer zu Delphi. Nora bittet ihn, daraus vorzulesen. Also liest Leo: „In ihrer Welt der Götter und Dämonen … suchten die Menschen in Delphi Orientierung. … Der tiefe Glaube der Menschen ließ sie kaum zwischen Illusion und Wirklichkeit unterscheiden.

Später, zurück in Trikorfo, unternehmen sie eine Bootstour. Sie führt an den Klippen vorbei, an denen vermutlich das Leben von B.M. ein Ende fand. Leo bringt das an das Ende seiner geistigen Kräfte. Denn er kann die Möglichkeit nach wie vor nicht ausschließen, dass er seine Frau dort in die Tiefe stieß. Später unternimmt Leo mit Nora einen Spaziergang zu diesen Klippen. An deren Ende scheint bei Leo Ernst der Heilungsprozess einzusetzen. Zu seiner Enkelin spricht er: „Jetzt aber bist du hier, Nora; und das ist gut so. Das hier ist ein Anfang…

Schließlich geht es zurück nach Berlin. Nora kehrt zurück in die USA, und Leo führt sein Leben in Deutschland weiter.

Fisch mit Heraklit

Einen Vortrag, den er zu halten hatte, konnte Leo nicht entwerfen. Er war wie blockiert. Plötzlich aber kam der Durchbruch. Ich verrate nicht zu viel wenn ich sage, dass die aus Griechenland mitgebrachten Gedanken und Überlegungen zum Schlüssel geworden sind. Der Durchbruch gelingt Leo in einem Traum.

Der Acheron im Westen der Peloponnes
Der Acheron im Westen der Peloponnes

An einem kleinen Periptero am Randes des Hains der Persephone, dort wo der Acheron in die süße Bucht mündet, hatte Leo Ernst eine Verabredung. Früh am Nachmittag wollte er sich mit einem geringeren treffen als mit Herlaklit.

Heraklit von Ephesos ( Ἡράκλειτος ὁ Ἐφέσιος) ist eine reale Person der griechischen Antike. Sein eigentliches Werk ging im Laufe der Jahrhunderte verloren. Aber Heraklits Gedankenwelt kennen wir aus dem, was andere Autoren überliefert haben.

Heraklit hatte eine ganz eigene Sicht auf die Welt. Die Lebensart der meisten Menschen sah er als eine oberflächliche Wahrnehmung der Wirklichkeit an. Ihn beschäftigte der Begriff des Logos (λόγος). Dieses Wort hat im Altgriechischen sehr verschiedene Bedeutungen: Wort, Sinn der Worte, das geistige Vermögen eines Menschen, Vernunft oder losgelöst von einer Individuellen Person auch den Gesamtsinn der Realität. Je nach Zusammenhang kann man Logos auch mit Definition, Argument oder einem Lehrsatz übersetzen. In späterer Zeit wurde das auf die Kurzformel „alles fließt“ (πάντα ῥεῖ, panta rhei) verdichtet. Zudem hat Heraklit sich mit Gegensätzen beschäftigt. Tag und Nacht, Eintracht und Zwietracht oder Wachsein und Schlaf waren für ihn eine Einheit, die freilich mit Spannung geladen war.

Dies vorausgeschickt kann man ahnen, dass sich zwischen Leo Ernst und Heraklit ein spannender Dialog entwickelt. Spannend ist der vor allem auf menschlicher Ebene. So äußert sich der Philosoph, der alles in Bewegung sah, zum Ort ihres Aufenthalts: „Lieber Leo Ernst, Sie können beruhigt sein, in den über zweieinhalbtausend Jahren hat sich hier kaum etwas verändert, …

Der Acheron

Übrigens: Der Acheron. Das ist nicht einfach nur ein Fluss im Westen der Peloponnes. Heute nennen die Menschen ihn den Acherontas (Αχέροντας). In der griechischen Mythologie ist der Acheron auch einer der fünf Flüsse der Unterwelt, die wir unter dem Namen Hades kennen. Der Acheron war neben dem Styx der Fluss, über den Charon die Verstorbenen in das Totenreich brachte.

Das aber nur am Rande. Leo Ernst ist in Deutschland, und dort geht es für ihn weiter.

Der Vortrag in Dessau

An an dem Vortrag, den Leo in Dessau zu halten hat, kaut er sehr lange rum. Die Inspiration fehlt, er findet keinen Zugang zum Thema, hat kein Konzept. Schließlich hilft ein Traum zum Durchbruch. Er kann sein Thema zu Papier bringen und vortragen. Die Rede und die Reaktionen der Zuhörer auf diese sind einfach toll umgesetzt. Ich habe die Gesichter der Zuhörer regelrecht vor mir sehen können.

Finale in Athen und Berlin

Anschließend geht es zurück nach Griechenland. Leo möchte seine Kinder Katharina und Kristopher wiedersehen, ein Treffen ist in Athen geplant. Nora ist nicht mit dabei. Das Wiedersehen findet im Archäologischen Nationalmuseum in Athen statt. Nur läuft es nicht wie geplant. Bei einer Aufführung von Medea kollabiert Leo und wird in eine psychiatrische Klinik gebracht. Er kommt schnell wieder auf die Füße und verbringt die Ostertage mit seinen Kindern in Trikorfo. Die Wiederannäherung der Familie gelingt.

Zurück in Berlin könnte der Roman beendet sein. Leider nimmt Leos Leben aber noch eine Wendung: Elea trennt sich von ihm. Das lag nicht an ihm, sondern an Erlebnissen aus ihrer Kindheit. Diese blockieren ihr die Möglichkeit, sich auf eine ernste Beziehung mit einem anderen Menschen einzulassen. Leo zerbricht nicht an der Trennung, er geht sein weiteres Leben an.

Rolands Meinung über Fisch mit Heraklit

Wolfgang Tolks Roman ist eine ganz wunderbar geschriebene Erzählung. Sie führt an einen Menschen heran, der mit seiner eigenen Vergangenheit hadert und der noch keinen Zugang zur Zukunft gefunden hat. Das Buch ist keine reine Unterhaltungsliteratur, es regt zum Mitdenken und Mitfühlen an.

Textauszug aus dem Buch
Textauszug aus dem Buch

Der Schreibstil ist wirklich gut und nimmt den Leser mit. Ich wollte es gar nicht mehr aus der Hand legen, nachdem ich einmal darin zu lesen begonnen habe. „Fisch mit Heraklit“ ist mehr als nur eine Geschichte, ich empfinde es als Literatur. Mir hat die Lektüre Vergnügen bereitet, und das gebe ich gerne an die Leser des Hellas Blog weiter.

Das Buch ist in jeder Hinsicht handwerklich gut gemacht. Damit meine ich nicht nur den Schreibstil und die Geschichte an sich.

Vielen Details der Erzählung merke ich die Liebe Wolfgang Tolks zu Griechenland und seinen Mythen an. Die Begegnung mit Heraklit spielt nicht zufällig am Acheron, der schon durch seine Existenz Mythen und Gegenwart des Landes miteinander verbindet. Und natürlich taucht gerade hier ein Periptero auf, die urgriechische Version eines kleinen Kiosk-Geschäfts. Solche Kleinigkeiten runden die eigentliche Geschichte für mich ab und machen das Buch zu etwas Besonderem.

Ich weiß, eigentlich ist es nicht üblich diejenigen zu loben, die ein Buch hergestellt haben. Hier ist es mir aber ein Bedürfnis

Der Verlag hat dem Buch eine wertiges Hardcover spendiert. Das Schriftbild ist hochwertig und durchweg gut zu lesen. Die Bindung ist sauber und von guter Qualität. Das Buch dürfte einigen Belastungen und wechselnden Lesern problemlos standhalten. Die Haptik verstärkt den Lesegenuss.

Das Umschlagbild stammt von Wolfgang Tolk selbst. Sind das Leo Ernst und seine Elea, die sich küssen? Das bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Für mich rundet das Bild auf dem Cover das Buch jedenfalls wundervoll ab.

Wolfgang Tolk

Auf der letzten Seite des Buches findest Du Informationen zum Autoren. Wolfgang Tolk wurde am 7. Juni 1951 im badischen Eberbach geboren. Er ist ausgebildeter Journalist. Nach dem Volontariat bei der Rhein-Neckar-Zeitung in Mannheim war er einige Jahre als Redakteur tätig. Anschließend studierte er, zunächst Kunstgeschichte, Philosophie und Theologie in Heidelberg. Danach wechselte er zur Kunst, erst an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweigspäter bei Gerhard Hoehme an der Kunstakademie Düsseldorf. Seine Kunstwerke haben ihren Weg in zahlreiche nationale und internationale Sammlungen gefunden. Auch arbeitet er mit den Designern von Porro und Boffi zusammen. Vielleicht hat der eine oder andere ja ein Stück von Wolfgang Tolk daheim, ohne es zu wissen.

Heute lebt und arbeitet Wolfgang Tolk in Köln, München und – wer hätte es gedacht – in Trikorfo. Deshalb vermute ich, dass der eine oder andere autobiografische Aspekt in den Protagonisten Leo Ernst eingeflossen sein könnte.

Wenn ich es richtig sehe, ist Fisch mit Heraklit der erste Roman aus der Feder von Wolfgang Tolk. Mich würde es sehr freuen, wenn es nicht der einzige bliebe.

Wo kann ich „Fisch mit Heraklit“ kaufen?

Du bekommst den Roman in jeder Buchhandlung und auch im Online-Handel. In deutschen Buchhandlungen wird es vermutlich nur in Ausnahmefällen vorrätig sein. Du kannst es aber auch direkt beim Verlag der Griechenland Zeitung bestellen. Dort findest Du auch Leseproben.

Möchtest Du das Buch kaufen, dann brauchst Du diese Informationen:

  • Fisch mit Heraklit
  • von Wolfgang Tolk
  • erschienen: 19. Mai 2023
  • ISBN: 978-3990210482
  • Das Buch ist erschienen im Verlag der Griechenland Zeitung
  • Preis: 19,80 Euro
  • 184 Seiten

Alles, was Du nach dem Kauf des Buchs brauchst, ist etwas Zeit um es entspannt zu lesen. Ich habe es genossen.

Roland Richter

geboren 1969 in Hannover, Jurist und Griechenland-Fan

4 Gedanken zu „Wolfgang Tolk: Fisch mit Heraklit

  • Chiara

    Danke für den Buchtipp!
    Ich hab’s mir auch gekauft und finde es auch ganz großartig!
    Du hast Recht, das ist nicht nur eine Geschichte, sondern Weltliteratur!

    Antwort
  • Volker vonbeesten

    Hallo Roland, ich bin Volker, Dein ??? Großonkel ???, der Cousin Deiner Eltern. Danke für die Empfehlung und für Deine Begeisterung – ich habe das Buch gleich bestellt.
    Bis die Tage
    Volker

    Antwort
    • Lieber Volker,

      vielen Dank für Deinen Eintrag. Darüber, dass ich Deine Neugier auf das Buch geweckt habe, freue ich mich ganz besonders. Wirst Du meine Begeisterung teilen? Oder wird es Dir vielleicht nicht gefallen?

      Ich lade Dich ein, ein kurzes Feedback zum Buch hier im Blog zu hinterlassen, wenn Du es gelesen hast.

      Dein
      Roland

      Antwort

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